Hermann Löns – Einer von uns! Vor 110 Jahren starb der Heidedichter den Heldentod

Der bekannte Heidedichter Hermann Löns hätte sich 1914 durchaus auf seinen literarischen Lorbeeren und den damit verbundenen Einnahmen ausruhen können. Doch ist er immer wieder verbittert, da ihm der Wunsch nach einer gesunden Familie mit einigen lebhaften Kindern leider versagt bleibt. Umso mehr sehnt er sich nach einem wahren Abenteuer, um dem tristen Alltag entfliehen zu können. Sein heißester Wunsch ist es, „nur noch einmal aktiv eine Schlacht zu erleben“.

Kriegsbegeisterung 1914

Schon lange vermutet Löns, dass sich ein Krieg mit England nicht wird vermeiden lassen, weil das Albion den ungeliebten deutschen Wirtschaftskonkurrenten in seine Schranken verweisen möchte. Daher entsteht bereits 1910 das „Matrosenlied“, das in der späteren Vertonung durch Herms Niel zu einem Gassenhauer werden wird. Löns warnt: „Wir mit unserer geographischen Lage können uns keine Niederlage leisten, ringsherum schleifen sie die Messer gegen uns, und unser Volk schläft.“

Wie eine Erlösung ist es daher für ihn, als am 28. Juni 1914, dem Tage des Attentats von Sarajewo, plötzlich dunkle Gewitterwolken aufziehen, die das Herannahen einer kriegerischen Auseinandersetzung ankündigen. Löns orakelt: „Das gibt einen Krieg. Das kann sich Österreich nicht gefallen lassen. Wir müssen auch mit. (…) Da stecken Russland und auch Frankreich und England dahinter. Die Attentäter sind bezahlt. Das ist alles bestellte Arbeit. Der Kreis um uns ist geschlossen. (…) Das hat der Kaiser von seiner verdammten Friedensliebe. Jetzt haben die den Zeitpunkt des Krieges bestimmt, was wir schon lange hätten tun müssen.“

Tatsächlich ist der Beginn des Ersten Weltkrieges trotz intensiver Friedensbemühungen auf deutscher Seite nicht mehr aufzuhalten. Ab dem 31. Juli 1914 überschlagen sich die Ereignisse, und auch in Hannover, der Wahlheimat von Hermann Löns, ist die Bevölkerung wie aufgescheucht. Die Menschen singen patriotische Lieder und stimmen „Hurra!“-Rufe an. Zigtausende Jugendliche und gestandene Männer melden sich freiwillig zum Dienst an der Waffe.

Auch Löns ist zufrieden und hofft, sein Scherflein zum Gelingen eines deutschen Sieges beitragen zu können: „Das Schicksal hat wieder viel an mir gut gemacht, dass es mich diese Zeit erleben ließ.“ Aber seine Bemühungen um den feldgrauen Rock bleiben ergebnislos. Keiner will den alternden Schriftsteller mit an die Front nehmen. Lediglich eine Position als Kriegsberichterstatter wird ihm angeboten. Doch Löns lehnt ab, für ihn kommt nur der Dienst an der Waffe in Frage: „Mein Leben lang habe ich mit der Feder für das deutsche Volk gekämpft. Jetzt ist die Zeit gekommen, sie aus der Hand zu legen und eine andere Waffe zu ergreifen.“

Endlich, am 22. August 1914, keimt wieder etwas Hoffnung in ihm auf. Ein Freund, der als Offiziersvertreter beim 73. Füsilier-Regiment dient, möchte sich für den Heidedichter starkmachen. Sein damaliger Kompanieführer C. M. von Einem erinnert sich später an Löns: „Gewiss – er war achtundvierzig Jahre alt und hatte nie gedient. Mit seiner drahtigen Figur und seinen klaren Augen im frischen, faltenlosen Fuchsgesicht sah er so jung aus, dass man ihm den Kriegsdienst bei der aktiven Truppe schon zumuten konnte. Dazu kam sein fester Wille, mitzumachen, und seine Fähigkeiten als Jäger und Schütze.“ Damit straft von Einem die Lästerer der Gegenwart Lügen, die Löns‘ Einsatzwillen verhöhnen und ihm die Befähigung hierzu absprechen.

Über seine Annahme kann von Einem nicht persönlich entscheiden, macht sich aber beim Ersatzbataillon für den bekannten Schriftsteller stark. Endlich wird Löns „felddiensttauglich“ eingestuft und ist fortan Soldat der „73‘er“. Leicht erkennbar sind sie an einem blauen Ärmelstreifen mit der gold-gelben Aufschrift „Gibraltar“, den sie am rechten Arm tragen dürfen. Dieses Traditionsabzeichen erinnert an die Teilnahme Hannoverscher Truppenteile, die, im britischen Sold stehend, an der Verteidigung der Seefestung Gibraltar (1775-1783) beteiligt waren. Ein weiterer Angehöriger des Regiments, der mit seinen packenden Schilderungen über die blutigen Schlachten ebenfalls Ruhm erwerben wird, ist übrigens der spätere Pour-le-mérite-Träger Ernst Jünger (1895-1998).

Bereits vier Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges dichtete Hermann Löns das „Matrosenlied“, besser bekannt als „Wir fahren gegen Engeland“

Auf dem Weg zur Front

In Windeseile wird Löns in den folgenden Tagen ausgebildet und schließlich zum Angehörigen der 3. Ersatzkompanie 73. Löns blüht regelrecht auf, und obwohl ihm der Militärdienst einiges abverlangt, besitzt er noch genug Kraft, um sich abends mit der Schriftstellerei zu beschäftigen. Seinen 48. Geburtstag feiert er im Kreise seiner neuen Kameraden.

In der Nacht zum 2. September erfährt Löns, dass Männer seines Ersatzbataillons 73 am nächsten Morgen in Marsch gesetzt werden sollen. Er soll nicht dabei sein, kann seinen Ehrgeiz jedoch nicht bezwingen und beschließt, auf eigene Faust ins Feld zu kommen, obwohl seine Ausbildung noch gar nicht beendet ist. Seinem jüngsten Bruder hinterlässt er einen kurzen Gruß, den er auf seinem Schreibtisch liegen lässt: „Lieber Ernst, ich fahre heute nach Paris. Schönen Gruß, Hermann.“ Hermann Löns packt alles Notwendige zusammen, setzt sich aufs Rad und eilt nach Hannover zum Waterlooplatz. Dort nutzt er die vorherrschende Dunkelheit, um sich unter die etwa fünfhundert Soldaten zu schmuggeln, die als Ersatz für die Front in Frankreich vorgesehen sind.

Als am frühen Morgen des 2. September die Verladung des Ersatzbataillons 73 nahezu abgeschlossen ist, wird Löns von seinem Kommandeur von Einem entdeckt, erhält eine Rüge, wird jedoch nicht zurückgeschickt, da der Verladebahnhof weit außerhalb von Hannover liegt. Im Gegensatz zu seinen Vorgesetzten hält Löns seine Ausbildung sehr wohl für beendet, dankt seinem Vorgesetzten nochmals für die Aufnahme bei den 73’ern und kündigt als Dankeschön ein schönes Buchpaket Löns‘scher Bücher an. Damit hat er sein Ziel erreicht – er ist auf dem Weg zur Front!

Die lange Bahnfahrt in die Champagne über Lüttich ist trotz der anfänglichen Begeisterung eintönig und langweilig. Dabei entsteht die Idee, dass sich Löns als Schreiber eines Kriegstagebuches nützlich machen könnte. Tatsächlich trägt er seine Eindrücke in ein kleines Notizbuch ein. Dieses Notizbuch wird in der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkrieges verloren gehen und schließlich in einem US-amerikanischen Archiv von einem deutschen Historiker wiederentdeckt werden. Offensichtlich hatten es Soldaten der US Army als „Kriegsbeute“ mitgenommen. Als Taschenbuch wurden die kommentierten Aufzeichnungen unter dem Titel „Leben ist Sterben“ herausgegeben, doch können die kargen Notizen nicht mit einem der sonstigen Werke von Hermann Löns mithalten.

Kurz hinter der belgisch-französischen Grenze, nach dem Örtchen Anor, endet der Transport der 73‘er, da die weiterführenden Gleise zerstört sind. Ein letztes Mal erfolgt die Verpflegung aus dem Felddepot, bevor es am nächsten Morgen weiter über Laon in die Nähe von Reims gehen soll. Wo sich die Feldeinheit des 73. Regiments genau befindet, weiß noch niemand.

Die letzten Kilometer zur Front müssen zu Fuß absolviert werden, teilweise mit notdürftig zusammengestellter Ausrüstung. Pro Mann stehen nur etwa 70 Schuss zur Verfügung. Auch Feldküchen oder sonstige Militärfahrzeuge werden nicht mitgeführt. In ihrer Not werden Requisitionsabteilungen aufgestellt, die aus der Gegend entlang der Vormarschstraße nach Vorräten und geeigneter Ausrüstung suchen sollen. Einem dieser Trupps wird Hermann Löns zugeteilt, wenn auch die heiß ersehnte Feuertaufe damit noch lange nicht erreicht ist. Um Löns ein wenig zu schonen, wird er durch von Einem zur Feldküche kommandiert – unter der Versicherung, dass er bei einsetzenden Gefechten sofort mit nach vorne genommen würde.

Die allgemeine Siegesstimmung wird dadurch getrübt, dass sich die eigene Truppe in einer Rückwärtsbewegung befindet, die sich nach der Marneschlacht entwickelt. Am 13. September 1914 wird endlich das im Felde stehende 73. Regiment erreicht, das harte Gefechte bei Reims hinter sich hat. Ab dem 13. September 1914 folgen harte Auseinandersetzungen an der Aisne, die mehrere Monate andauern werden. Der Ersatz wird verteilt und Löns wird der 4. Kompanie zugeteilt, die kurze Zeit durch von Einem geführt wird. Letzterer wird jedoch bald zu einer neu aufgestellten Kompanie versetzt und verliert damit Löns aus den Augen. Diese Gelegenheit nutzt der gewitzte Dichter, um vom ungeliebten Druckposten bei der Feldküche wegzukommen.

Doch die Freude währt nicht lange, denn am 25. September erhält Löns vom neuen Kompanieführer den Befehl, dass er sich zum Brigadestab in Marsch zu setzen habe, um bei diesem Verwendung zu finden. Der Schriftsteller ahnt, dass man ihn aufgrund seines Alters schonen möchte: „Als Soldat muss ich ja gehorchen. Man hält mich wohl schon für zu alt. Aber einmal möchte ich noch eine Schlacht mitmachen.“

Tatsächlich kommt seine Versetzung einer Überlebensgarantie gleich, beim Stab geht es wesentlich friedlicher zu als an der Hauptkampflinie. Eigentlich sollte er dankbar sein für den neuen Befehl, zumal er an starkem Durchfall leidet, in der Nacht zuvor musste er sieben Mal zur Latrine gehen, sein gereizter Verdauungstrakt wurde durch geringe Mengen Opium beruhigt. Löns befindet sich mittlerweile also wirklich in einem denkbar schlechten Gesundheitszustand.

Porträt mit Unterschrift: Ein Pfui dem Mann, der sich nicht wehren kann. Not kennt kein Gebot außer: Schla doot, schlaa doot!

Hermann Löns fällt beim Sturmangriff

Doch zuvor wird es noch einmal ernst. Bei herrlichem Wetter steht am folgenden Tag ein Sturmangriff bevor. Im Schutze von unheilvollen, grauen Nebelschwaden findet sich bei einer Zuckerfabrik des Dörfchens Loivre, etwa 10 Kilometer nördlich von Reims, ein wilder Haufen aus Füsilieren, Musketieren und Goslarer Jägern zusammen, um den drängenden Feind zurückzuschlagen. Mutig geht eine Patrouille gegen die französischen Truppen voran, unter ihnen auch Hermann Löns.

Der Nebel lichtet sich und die klare Sonne bricht durch. Auf dem Boden liegend beobachtet Löns aufmerksam die Bewegungen des Gegners. In aller Seelenruhe lädt er sein Gewehr, bringt Kimme und Korn zusammen und schießt. Doch eine Ladehemmung zwingt ihn, nach dem Rechten zu sehen. Und schon passiert es – Löns zuckt zusammen, das Gewehr fällt ihm aus der Hand und er greift mit ihr unter die linke Schulter. Erwischt – ein Schuss direkt ins Herz! Sein Kopf fällt auf seinen linken Arm. Hermann Löns ist tot!

Damit findet Löns einen Tod, der auch für einen seiner Romanhelden würdig gewesen wäre. Er stirbt genau so, wie es der alte, erfahrene Hase Mümmelmann in der „Hasendämmerung“ sagt: „Besser ist es, im Dampfe dem guten Schützen sein Kompliment zu machen, als vor Altersschwäche den Schnäbeln der Krähen zum Opfer zu fallen.“

Seine trauernden Kameraden bereiten ihm ein schlichtes, mit einem Kreuz gekröntes Soldatengrab auf einem Hügel. Löns‘ sterbliche Überreste werden erst 1932 von einem Bauer beim Umpflügen seines Ackers wiederentdeckt. Anhand der Erkennungsmarke „FR 73 4 C. 309“ (= Füsilier-Regiment 73, 4. Kompanie, Nr. 309) gelingt die eindeutige Identifizierung.

Das Deutsche Reich entschließt sich zur Heimholung der Gebeine. Am 2. August 1935, auf den Tag genau einundzwanzig Jahre nach Ausbruch des Krieges, erfolgt die Beisetzung bei Tietlingen in der von Löns so sehr geliebten Lüneburger Heide. Der mit der Reichskriegsflagge geschmückte Sarg wird in ein Grab neben einem Findling hinabgesenkt. Während der Feier gibt eine Ehrenkompanie des Heeres dem geliebten Heidedichter das letzte Geleit. Dabei werden seine Lieblingsverse aus der Edda verlesen: „Besitz stirbt, Sippen sterben, Du selbst stirbst wie sie; Eins weiß ich, das ewig lebt: Des Toten Tatenruhm.“

Karl Graf

Erstveröffentlichung in N.S. Heute #43

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