Der Flämische Nationalismus und die wechselhafte Geschichte der Yserbedevaarten

Im vergangenen Jahr stand die Veranstaltung unter dem Motto „Unser Volk – Unser Recht“

Am letzten August-Wochenende findet wieder die traditionelle „Yserwake“ (früher: „Yserbedevaart“) in dem Städtchen Steenstrate bei Ypern statt. Im vergangenen Jahr waren wir zu Besuch bei der großen Manifestation des flämischen Unabhängigkeitswillens, die in früheren Jahrzehnten tausende Nationalisten aus ganz Europa anzog. Der nachfolgende Beitrag ist ein Auszug aus der N.S. Heute-Ausgabe #32:

(…) Als wir am Abend vor der Yserwake 2022 auf der Terrasse eines Restaurants in Diksmuide sitzen, bietet es uns die Gelegenheit, die Geschichte der Yserbedevaart/Yserwake einmal Revue passieren zu lassen.

Der geschichtliche Hintergrund dieser „Wallfahrten“ geht auf den Opfergang flämischer Soldaten im Ersten Weltkrieg zurück: Als die deutschen Streitkräfte im August 1914 zur Verwirklichung des „Schlieffen-Plans“ in Belgien einrückten, befand sich das Deutsche Reich mit Belgien faktisch im Kriegszustand. Zwischen Frankreich und dem Vereinigten Königreich auf der einen und dem Deutschen Reich auf der anderen Seite begann der „Wettlauf zum Meer“, der sich bis zum Gebiet rund um die Yser erstreckte, das von belgischen Truppen gehalten werden konnte. Die flämischen Soldaten wurden von ihren französischsprachigen Vorgesetzten zumeist mit Verachtung behandelt und an der Yser-Front verheizt. Der Widerstand der Flamen gegen ihre Behandlung als Soldaten zweiter Klasse ging als „Frontbewegung“ in die Geschichte des Ersten Weltkrieges ein. Die gefallenen Flamen erhielten einheitliche Grabsteine: ein Keltenkreuz mit der Aufschrift AVV-VVK, was noch heute eines der Symbole der Yser-Bewegung ist.

Aus den Kreisen der Frontbewegung ging nach Kriegsende die Initiative zu den ersten Wallfahrten aus. In der Tradition christlicher Wallfahrten fanden die ersten Yserbedevaarten, die seit 1925 in Diksmuide abgehalten wurden, direkt zu den Gräbern gefallener Soldaten statt. Die Yserbedevaarten hatten von Anfang an eine doppelte Bedeutung: Zum einen ging es um das Gedenken an die gefallenen Frontsoldaten, zum anderen sollte die Besorgnis über die zukünftige Entwicklung Flanderns zum Ausdruck gebracht werden. Das Yserbedevaart-Komitee besann sich auf die drei Grundprinzipien der Flämischen Bewegung, die mit Blick auf die Geschichte des Ersten Weltkrieges verständlich werden: Pazifismus („Nie wieder Krieg!“), Gottesfrieden (gemeint ist der Wunsch, dass alle Flamen für Flandern zusammenarbeiten, unabhängig von politischen, ideologischen oder religiösen Unterschieden) und Selbstverwaltung (die Unabhängig Flanderns vom belgischen Staat).

Mit der „Blumenhuldigung“ neben der Hauptbühne wird den verstorbenen Unterstützern der flämischen Sache gedankt

Die Yserbedevaarten erlebten im Laufe der Jahrzehnte Höhen und Tiefen: Zu Spitzenzeiten fanden sich mehr als 100.000 Teilnehmer am Yserturm zusammen, zeitweise waren es nur wenige tausend. Seit den 1970ern und dann verstärkt ab den 80er-Jahren verzeichneten die Yserbedevaarten einen Anstieg der Teilnahme von Nationalisten aus ganz Europa, was von den Organisatoren zwar nicht gerade mit Wohlwollen betrachtet, aber immerhin geduldet wurde. Mein Kamerad Meinhard Elbing erinnert sich, dass damals an den Vorabenden zur Yserbedevaart die komplette Hauptstraße von Diksmuide mit Kameraden gefüllt war. In den 80ern hielt Thomas Brehl in der Gaststätte „Vlaams Huis“ neben dem Yserturm eine flammende Rede, was die britischen Kameraden derart begeistert haben muss, dass sie auf die Tische sprangen und ihre rechten Arme gar nicht mehr runterbekamen. Und mein im letzten Jahr verstorbener Kamerad Siggi Borchardt erzählte mir, wie er im Jahr 1984 – noch keine 24 Stunden aus einem Knast in Straßburg entlassen – aufgrund von „Sieg Heil!“-Rufen in Diksmuide festgenommen wurde und damit die „Ehre“ hatte, an einem Tag gleich in zwei Ländern im Knast gesessen zu haben. Am heutigen Abend ist allerdings nur die ortsansässige Jugend auf der Straße, vom Vorglühen unterwegs zur Dorfdiskothek. Den Nimbus als große Zusammenkunft von Nationalisten aus ganz Europa hat Diksmuide offenbar schon lange verloren.

In den 90er-Jahren kam es innerhalb der Flämischen Bewegung verstärkt zu Streitigkeiten zwischen den gemäßigten „Minimalisten“ vom Yserbedevaart-Komitee, denen von den radikaleren „Maximalisten“ vorgeworfen wurde, sich nicht genug gegen die Gefahren der Masseneinwanderung und für die Bewahrung von Identität, Sprache und Kultur einzusetzen. Die Auseinandersetzungen erlebten einen Höhepunkt im Jahr 1996, als Anhänger des damals noch als radikal geltenden „Vlaams Blok“ während der Kundgebung die Bühne stürmten. In der Folge kam es zum kompletten Bruch zwischen den beiden Flügeln und einer Aufspaltung in zwei verschiedene Veranstaltungen. Während die heutige Yserbedevaart fast nur noch aus Folklore besteht und ihren ursprünglich politischen Anspruch eingebüßt hat, kommen die prinzipientreu gebliebenen Souveränisten seit 2003 zur „Yserwake“ („Yser-Wache“) in der Siedlung Steenstrate bei Ypern zusammen.

Das Denkmal für die Gebrüder van Raemdonck

Der Flämische Nationalismus lebt!

Bei unserer Ankunft am Sonntagvormittag fällt zunächst positiv auf, dass kaum Polizei zu sehen ist. Eine Handvoll Polizisten kümmert sich an der Hauptstraße um den Verkehr und das geordnete Parken, ansonsten sind nirgendwo rund um das weitläufige Veranstaltungsgelände Einsatzkräfte zu sehen. Polizeischikanen durch Kontrollen und Leibesvisitationen gibt es ebenso wenig wie eine linke Gegendemonstration. Selbst bei konträren politischen Ansichten ist es in Flandern anscheinend unbekannt, gegen sein eigenes Volk zu demonstrieren. Ich sinniere darüber, dass die Handvoll Verkehrspolizisten auch bei nationalen Festivals in Deutschland vollkommen ausreichen würden, wenn die Polizei tatsächlich zur Absicherung und nicht zur Schikanierung oppositioneller Veranstaltungen eingesetzt würde.

Am Eingang zur Festwiese bekommen wir ein Programmheft in die Hand gedrückt, womit wir uns über den kompletten Ablauf der Veranstaltung informieren können. Der Ordnerdienst wird von der großniederländischen Organisation „Voorpoost“ übernommen, deren Symbol eine niederländische Fahne mit Lebensrune ist. Die Flämische Bewegung unterteilt sich in die großniederländischen „Irredentisten“, die für eine Vereinigung von Flandern mit den Niederlanden eintreten, und den „Souveränisten“, die einen unabhängigen flämischen Staat anstreben. Streitigkeiten zwischen diesen beiden Lagern scheint es allerdings nicht zu geben.

Auf der Bühne hält ein Pfarrer gerade die Messe ab, damit beginnt traditionell der offizielle Teil der Yserwake. Wir haben also erstmal Zeit, das „Yserwakedorf“ mit seiner großen Auswahl an Büchern, Zeitschriften, Kleidung, Fahnen, Musik und anderen Utensilien zu inspizieren. Fast alles, was in der Flämischen Bewegung Rang und Namen hat, scheint hier mit eigenen Informations- und Verkaufsständen vertreten zu sein. Lediglich der rechtspopulistische „Vlaams Belang“, der im EU-Parlament unter anderen mit AfD, FPÖ, Rassemblement National und der italienischen Lega die Fraktion „Identität und Demokratie“ bildet, tritt auf der Yserwake nicht offiziell in Erscheinung, obwohl mehrere Parteifunktionäre zu den Mitorganisatoren der Veranstaltung gehören sollen. Eine kleine AfD-Delegation mit EU- und Bundestagsabgeordneten flaniert ebenfalls gutgelaunt über das Gelände; von AfD bis Blood & Honour Flandern ist also wirklich alles vertreten.

Der Spielmannszug des VNJ
Die Zukunft Flanderns!

Besonders positiv hervorzuheben ist, dass es mit der „Kinderwache“ auch für die Kleinsten ein eigenes Programm gibt. Kinder zwischen 5 und 14 Jahren lernen hier spielerisch die Idee der Yserwake kennen, sie erfahren mehr über den Ersten Weltkrieg, die flämischen Soldaten, die Denkmäler und natürlich die Gründe dafür, warum die Yserwake auch in der heutigen Zeit noch so wichtig ist. So kümmert sich die Flämische Bewegung selbst um ihre Zukunft und das Heranwachsen einer neuen Generation identitätsbewusster Flamen.

Ein Stück weit neben der Bühne befindet sich das Van Raemdonck-Monument, ein fünf Meter hohes Denkmal aus Fragmenten deutscher Stellungen, das seit 2003 das Symbol für die Fortsetzung der Yser-Tradition darstellt. Frans und Edward van Raemdonck waren zwei Brüder, die zu einer flämisch orientierten Studentenvereinigung gehörten und sich im August 1914 kriegsfreiwillig meldeten. Am 26. März 1917 fiel Frans bei einem Angriff auf deutsche Stellungen im Sektor Steenstrate. Edward machte sich trotz ausdrücklichen Verbots seiner Vorgesetzten auf die Suche nach seinem Bruder und kehrte ebenfalls nicht zurück. 1919 wurden die sterblichen Überreste der beiden in die Krypta des Yserturms überführt.

Nachdem auf der Bühne endlich genug gebetet wurde, erfolgt die Ansprache von Wim De Wit, dem Vorsitzenden des Yserwake-Komitees. Er kritisiert das Verbot des „Frontnacht“-Konzertes, das am Vorabend zur Yserwake am selben Ort stattfinden sollte, jedoch wegen angeblich „extremistischer“ Bestrebungen einiger Musiker von der Stadt Ypern verboten wurde. Mit dem Auftritt bekannter Bands wie Bronson (Italien) und FLAK (Deutschland) wollte das Yserwake-Komitee wieder mehr Jugendliche für die flämische Idee begeistern, doch offenbar kommt man auch in Flandern nicht ganz ohne Verbote und Repressionen aus. Die Veranstalter wollen sich gegen das Konzertverbot juristisch zur Wehr setzen und die „Frontnacht“ im nächsten Jahr nachholen.

Zum Abschluss des offiziellen Teils erfolgt mit dem Fahneneinzug der Höhepunkt der ganzen Veranstaltung. Wer die Fahne seiner Organisation auf der Bühne zeigen will, muss sich dies zunächst im Zelt für die „Fahnenabnahme“ genehmigen lassen; die Veranstalter wollen verständlicherweise die Hoheit darüber behalten, welche Symbole bei der Fahnenparade gezeigt werden. Zusammen mit den Fahnenträgern erfolgt der Einmarsch des Spielmannszuges des „Flämischen nationalen Jugendverbandes“ (VNJ), auch die Kleinsten präsentieren sich stolz in ihren grauen Uniformhemden mit orangefarbenem Halstuch auf der Bühne. Die gesellschaftliche Krankheit, dass sich Antifa-Journalisten in dreckigen Gebüschen verstecken, um in perverser Spanner-Manier kleine Kinder beim Singen und Tanzen zu filmen und dies hinterher im Staatsfernsehen als „ideologischen Drill“ zu präsentieren, bleibt anscheinend auf die BRD beschränkt.

Etwa 3.000 Teilnehmer kamen 2022 zur Yserwake

Nach dem Einzug der Fahnenträger und des VNJ erheben sich alle Teilnehmer zum flämischen Treueeid: „O Land des Ruhmes und der Trauer / von Liebe und von Leid / Du wirst wieder frei und groß! / Wir schwören Treue / Dir, Flandern, bis zum Tod!“ Mit musikalischer Begleitung des Spielmannszuges werden gemeinsam einige bekannte flämische Volks- und Kampflieder gesungen, darunter auch „Der Flämische Löwe“, die Nationalhymne Flanderns. Im Kehrreim heißt es: „Sie werden ihn nicht zähmen, den stolzen flämischen Löwen / Und woll’n sie ihn auch knechten mit Fesseln und Geschrei. / Sie werden ihn nicht zähmen, solang ein Flame lebt, / Solang der Löwe die Zähne fletscht, solang die Klauen er hebt.“ Mit dem Auszug der Fahnenträger endet der offizielle Teil der Yserwake.

Nach einer kurzen Pause beginnt um 14 Uhr im großen Festzelt das Kulturfestival „Yserfolk“ mit Musik, Tanz und Gesang. Die Jugendlichen haben ihre Uniformen abgelegt und präsentieren auf der Bühne fröhliche Volkstänze, auch der alte Pfarrer ist jetzt in zivil und hat den bitteren Messwein gegen einen guten Rotwein ausgetauscht. Die Folkgruppe „Euterpe“ sorgt für ausgelassene Volksfest-Stimmung, einträchtig sitzen Skinheads neben Anzugträgern und flämischen Familien bei Bier und Bratwurst.

Unbeeindruckt von dem ganzen Trubel im Festzelt steht ein alter Herr beharrlich an der mittlerweile verlassenen Hauptbühne und erzählt jedem Vorbeikommenden seine Geschichte. Seit 70 Jahren kommt er jedes Jahr hierher, und jedes Jahr spendet seine Familie einen Blumenkranz zur Unterstützung der flämischen Sache. Mittlerweile ist er 90 Jahre alt und solange er noch kann, wird er jedes Jahr wiederkommen. Der Flämische Nationalismus wird weiterleben, über alle Generationen hinweg.

„Hier unser Blut – Wann unser Recht?“

Erstveröffentlichung in N.S. Heute #32

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1 Gedanke zu „Der Flämische Nationalismus und die wechselhafte Geschichte der Yserbedevaarten“

  1. ja, auch ich war in den 80ern in diksmuide, und wurde dort mit weiteren kameraden festgenommen und erst mal über nacht eingesperrt, waren halt zur falschen zeit am falschen ort, weil mal wieder besoffen engländer randaliert hatten…

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