Das Ende der Wolfsromantik? – Realismus statt Utopie

Wer heutzutage gegen die Rückkehr des Wolfs nach Deutschland ist, der macht sich Feinde. Die Gräben der Antipathie auf beiden Seiten sind tief und kaum überwindbar. Besonders die Pro-Wolf-Fraktion ist für sachliche Argumente kaum zu erreichen, am Ende wird sich angekeift und einer wird als doof bezeichnet, schlimmer als auf jedem Schulhof einer Hauptschule im Ruhrgebiet. Besonders bei Facebook schlagen die digitalen Wellen des Hasses hoch. Im Grunde kommt hier genau die Unsachlichkeit zu Tage, die unserem politischen Gegner immer attestiert wird.

Es ist aber auch erhaben und schön, sich stechend gelb-grün leuchtende Augen im Halbdunkeln vorzustellen, die einen aus dem Dickicht bei Nebel anstarren. Dazu die Umrisse von struppigem Fell und große, schöne, weiße Reißzähne. Der ungekrönte König unserer Wälder streift einsam durch Flora und Fauna und heult unter tausend Jahre alten Eichen den Vollmond an. Nur selten bekommen Menschen ihn zu Gesicht und doch wünscht es sich irgendwie jeder einmal.

Friedhof der Kuscheltiere

Schnitt. Eine Wiese voller umgefallener Wollknäuel, weiß-rosa Fell. Blut verwischt im Schafspelz wirkt eben eher rosa, Entschuldigung bitte. Nur vier Kilometer von mir entfernt, eine Handvoll toter Nutztiere – lecker. Aufgerissene Bäuche, Gedärme teils in bunten Farben, die in der Wiese liegen, aus den Schafen herausquellen. Schöne Grüße vom bösen Wolf.

Ja, der hatte wohl Hunger. Komischerweise tötet der nie wie im Horrorfilm, die gehen nämlich gar nicht auf die Kehle, die brechen das Nutztier meist am Bauch auf und die Viecher verrecken dann minutenlang elendig, und die anderen müssen zugucken und können nicht wegrennen. Gar nicht schön und auch nicht romantisch. Eher richtig scheiße für den Hobby-Schafbesitzer, den letzten bäuerlichen Idealisten, eben genau die Nutztierhalter, die wir braunen Ökos uns wünschen, fernab der Massentierhaltung. Tja, Pech gehabt, er hatte keinen guten Zaun, sowas darf er sich jetzt anhören. Soll er sich doch einen Herdenschutzhund kaufen – ja, ist klar. Für sechs, sieben Schafe. Hört ihr euch eigentlich selber zu?

Kommen wir zum Übeltäter

Der Rüde heißt kurz „GW1896m“ und ist seit Jahren im Leuscheider Wald bei Altenkirchen sesshaft. Inzwischen stolzer Papa von mindestens einem Wurf mit sieben Welpen, von denen zwei nachweislich überfahren wurden. GW1896m wurden persönlich bereits 50 Tiermorde laut Gen-Nachweis angelastet, quasi ein Massenmörder. Er kann alle möglichen Zaunarten überwinden. Also staatlich finanzierte, sichere Zäune können wir hier knicken, klappt nicht, der Kollege ist eben zu schlau. Das einzige, was diesen reißerischen Berserker stoppen könnte, wäre eine Bleikugel. Der Ruf danach wird hier immer lauter, aber die Grünen machen da nicht mit.

Neulich war ich bei einem Bekannten in Asbach/Westerwald zu Besuch. Dessen Nachbar hat einen Bruder, und dieser hält dort Rehe in einem Wildtiergehege. Im Mai kam der Wolf ins Gehege und hat alle neuen Rehkitze getötet. Bei Rettersen ging ein Wolf auf einem Hof in eine Pferdebox und verletzte eine Stute. Die Tiere scheinen nirgends sicher zu sein.

Gewisse Wölfe sollten entnommen werden

In Koblenz wird die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht diskutiert. Wolf und Weidehaltung klappt hier bei uns im Westerwald nicht so gut. Meiner Meinung nach hat sich Deutschland die letzten Jahrhunderte vom Städtebau her so stark verändert, dass der Wolf hier keinen Platz mehr hat. Ich gebe zu, das ist sicher schade und auch sehr traurig, aber eben nun mal ein Fakt. Der Wolf wird im dicht besiedelten Raum zur Gefahr für Mensch und Tier. Seit diesem Jahr haben wir den dritten Wurf im schönen Westerwald, dieses Mal in Hachenburg, im Wald einer Kleinstadt. Der Wolf hat hier die Scheu vor der Nähe zum Menschen verloren. Das ist gefährlich. Neulich fuhr nachts eine Bekannte vom Kellnern mit dem Taxi nach Hause und stand in ihrer Straße dem Wolf gegenüber, der die Gärten nach Nutztieren absuchte. Ich selbst habe in Ehrlich bei Betzdorf einen Wolf an der Straße langstreifen sehen. Neulich gab es am helllichten Tag eine weitere Wolfssichtung in Flammersfeld. 

Erst fand ich den Wolf super und habe mich wie Bolle gefreut über seine Rückkehr ins Rheinland. Aber nun ist bei mir die Ernüchterung eingekehrt. Oben am Feld 300 Meter von meinem Zuhause entfernt hat der Wolf vor 12 Wochen ein Reh gerissen. Ich habe nun ein komisches Gefühl, wenn ich mit dem Hund dort oben spazieren gehe. Plötzlich stecke ich mir Pfeffergel ein, wenn ich Gassi-Runden mache. Ich habe Bedenken, dass meinem elf Jahre alten Rüden etwas passiert. Der ist zwar ein kerniger Bursche, aber bei einem Wolf mit 72 cm Schulterhöhe hätte mein Hund kaum eine Chance, als Senior schon gar nicht.

Wölfe hetzen Radfahrerin

In Niedersachen wurde eine Radfahrerin von zwei Wölfen gehetzt und konnte nur davonkommen, weil sie ein E-Bike hatte und einen Gang zuschaltete. Ebenso in Niedersachsen wurde eine Spaziergängerin mit Hund von einem Wolf verfolgt. Ich habe dann mal angefangen zu recherchieren. Der Kanadier Valerius Geist ist Biologe, er beschreibt bei Wölfen sieben Eskalationsstufen. Manche Regionen Deutschlands sind schon auf Position Fünf seines Stufenplans angekommen, darunter der Westerwald und Mecklenburg-Vorpommern. Demnach ist die Eskalationsstufe Fünf erreicht, wenn Wölfe in die Dörfer kommen und Gärten erkunden, von Autos angefahren werden und sich an den Nutztieren bedienen. Menschen werden von diesen Wölfen beobachtet und nicht mehr ernstgenommen. „Wehe dem Wolf, der sich zeigt“, sagt der Biologe Geist.

Die Wölfe gewöhnen sich an den Menschen, und wenn die Menschen wie wehrlose Schafe wirken, werden sie zwangsläufig zu Opfern. Das Problem mit unseren Wölfen ist auch, dass wir einige Hybriden haben, die durch die Kreuzung mit gewöhnlichen Hunden schon von Haus aus aufgrund ihrer Abstammung kaum Angst vor dem Menschen haben. Dann kommen noch die aus den Tierparks „befreiten“ oder „entlaufenen“ Wölfe hinzu, die von den Menschen jahrelang in der Pflege gefüttert wurden. Sie sind an den Menschen gewöhnt und haben keine Angst vor ihm. Es ist davon auszugehen, dass einige oder vielleicht sogar viele Tiere in Deutschlands Wäldern gar keine wilden Wölfe sind; diese Melange ist im dicht besiedelten Raum brandgefährlich.

Ich bin nicht unbedingt komplett gegen den Wolf in Deutschland. Vielleicht kann es in den größten zusammenhängenden Waldgebieten Deutschlands gut funktionieren, ich weiß es nicht und vermag das mit meinem Laienwissen nicht zu beurteilen. Aber der Wolf sollte aus den anderen Gebieten vertrieben werden. Es mag in den Karpaten mit dem Wolf funktionieren und vielleicht auch in den Julischen Alpen, aber in Deutschland sehe ich da eher wenig bis gar keine Möglichkeiten, Mensch und Tier in Einklang zu bringen. Ich hätte gerne ein anderes Resümee gezogen, aber am Ende bin ich Realist und eben niemand, der utopisch romantisiert.

Erstveröffentlichung in N.S. Heute #38

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1 Gedanke zu „Das Ende der Wolfsromantik? – Realismus statt Utopie“

  1. „Die Wölfe gewöhnen sich an den Menschen, und wenn die Menschen wie wehrlose Schafe wirken, werden sie zwangsläufig zu Opfern.“ Das ist ein Vorurteil. Der Mensch passt nicht ins Beuteschema von Wölfen, braucht also im großen und ganzen keine Angst vor ihnen zu haben. Ich stimme zu, dass die Zahl der Wölfe durch den Menschen reguliert werden muss, aber der Wolf ist nachweislich eine Schlüsselspezies, die für die Funktion von Ökosystemen unerlässlich ist, siehe z. B. https://www.nationalgeographic.de/tiere/2020/12/oekosysteme-warum-manche-tiere-wichtiger-sind-als-andere. Wolf und Weidetierhaltung sind vor allem wegen der Flurbereinigung in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts heute nicht mehr miteinander vereinbar. Wären die Weiden und Felder noch mit dichten, dornigen Hecken umgeben, hätten Wölfe kaum eine Chance, dort Schafe zu reißen. Aber ja, der Wolf muss merken, dass man sich von den Menschen und ihren Siedlungen besser vernhält. Früher liefen deswegen wehrhafte Eber in den Dörfern frei herum… Ach ja, die guten alten Zeiten!

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