Besprechungen #69: Karl Grünberg – Brennende Ruhr

Spannungslektüre von der „anderen Seite“

„Was, der AHM liest einen kommunistischen Roman und stellt den hier auch noch vor? Na ja, schon mancher der langsam in die Jahre kommt wird zum Kauz“, so denken jetzt wohl einige. – Langsam, erstmal auf die Bremse!

Vor einigen Jahren sah ich die vom propagandistischen Standpunkt aus nicht schlecht gemachte DEFA-Verfilmung dieses Romans auf DVD. Danach bestellte ich mir den Roman, und der lag erst einmal ein paar Jahre ungelesen herum. Über Ostern wurde er nun meine Lektüre und ich konnte ihn nicht mehr aus der Hand legen. Für mich war er das, was man auf BRD-Neudeutsch einen „Pageturner“ nennt.

Wer gerne, so wie ich, Hans Fallada liest, hier insbesondere seine Romane „Wolf unter Wölfen“, „Kleiner Mann – was nun?“ (auch beide sehr gut von der DEFA verfilmt) und „Von Bauern, Bomben und Bonzen“ (Anfang der 1970er vom NDR verfilmt), taucht voll und ganz in das Milieu und die Atmosphäre der Weimarer Systemzeit ein.

Der Autor in seiner Zeit

Bei „Brennende Ruhr“ ist es nicht anders. Der Autor benutzt hier eine leichtverständliche Sprache, nicht nur wie Fallada, sondern wie wir sie zum Beispiel auch von nationalen Freikorpsromanen und von Hans Zöberlein kennen. Nur wird halt hier die andere, die rote Seite glorifiziert.

Nun mal kurz zum Autor Karl Grünberg. Dieser wurde 1891 als Sohn eines sozialdemokratischen Schuhmachers geboren. Vor dem Ersten Weltkrieg war er ebenfalls SPD-Mitglied, dann schloss er sich 1916 während seiner Militärzeit der USPD an. 1918/19 nahm er an den Kämpfen in Berlin teil und organisierte die Wahl von Soldatenräten. 1920 wurde er Mitglied der KPD, Redakteur der „Roten Fahne“ und freier Schriftsteller. Seinen Roman schrieb er dann im Jahre 1927. Er selbst war nie an den Märzkämpfen im Jahre 1920 im Ruhrgebiet beteiligt. Kampfhandlungen beschrieb er nach eigenem Erleben aus seiner Kriegszeit und dem Bürgerkrieg in Berlin 1918/19. Die Orte an der Ruhr hatte er zu der Zeit, als er den Roman verfasste, selbst nie gesehen. Das Material zu seinem Roman holte er sich hauptsächlich aus Zeitungsarchiven.

Um die Kämpfe der „Roten Ruhrarmee“ zu beschreiben, entschloss er sich deshalb zur Romanform, um der Zensur zu entgehen. So schrieb er 1948 im Nachwort zur 2. Auflage: „In der Folgezeit verfielen viele belletristische Werke dem Zensor. Man kann gar nicht oft genug diese Verhältnisse in der Weimarer Republik – jener Republik mit der ‚freiesten Verfassung der Welt‘ – brandmarken, denn heute wollen viele diese Tatsachen nicht mehr wahrhaben.“

Also, irgendwie kommt mir das bekannt vor. Will man uns heute nicht auch weismachen, wir lebten „im freiesten Staat, der jemals auf deutschem Boden existierte“?

1933 verbrannte dann seine „Brennende Ruhr“ auf dem Scheiterhaufen, und es erfolgte seine zeitweise Inhaftierung im Konzentrationslager Sonnenburg.

Im Jahre 1943 wurde er zur Luftschutzpolizei (Feuerwehr) zwangsverpflichtet. Und wo wurde er eingesetzt? Im Ruhrgebiet, in Essen. Hier sah er zum ersten Mal all die Schauplätze, die er in seinem Roman beschrieben hatte. Da sah er tatsächlich eine „Brennende Ruhr“. Doch die brannte diesmal durch die Angriffe alliierter Terrorbomber. Grünberg wäre kein Kommunist, wenn er die Schuld hierfür natürlich nicht einer bestimmten Seite zuschieben würde.

So schrieb er in seinem Nachwort 1948: „Als ich im Frühjahr 1943 zur Luftschutzpolizei (Feuerwehr) nach Essen eingezogen wurde, lernte ich zum ersten Mal den historischen Schauplatz meines Romans gründlicher kennen. Da stand die Ruhr allerdings in des Wortes wahrster Bedeutung an allen Ecken und Enden in Flammen. Und warum? Weil das werktätige deutsche Volk infolge seiner inneren Spaltung im Jahre 1920 nicht in der Lage gewesen war, den faschistischen Brandherd gründlich auszutreten.“

Mit dem „faschistischen Brandherd“ meinte er den missglückten Kapp-Putsch und mit „gründlich austreten“ die rote Revolution, die damals zum Glück vom Ruhrgebiet nicht auf das gesamte Reich übersprang.

Nach dem Krieg war Grünberg freier Schriftsteller in der DDR und verstarb am 1. Februar 1972 in Berlin.

Doch nun mal zum Roman.

Ein blasser Held und eine schwarz-weiß-rote Mata Hari

Der Held ist ein gewisser Ernst Sukrow. Ein junger Werkstudent, am Ende des Krieges noch Offizier. Er kommt aus dem Feld zurück, als überzeugter Republikaner und Anhänger der SPD. Sein Chemiestudium kann er wegen des Krieges nicht beenden. Idealistisch gesonnen fährt er von Berlin ins Ruhrgebiet, um das Leben des Proletariats kennenzulernen und um einer von ihnen zu werden. Im Zug lernt er eine junge Dame kennen, Gisela Zenk, eine Fabrikantentochter, in die er sich verliebt. Diese ist blond, hat blaue Sphinxaugen und ist national eingestellt. Im Ruhrgebiet nimmt Sukrow niederste Arbeiten an. Dann bekommt er das Angebot, in einem chemischen Labor zu arbeiten. Diese Stellung besorgt ihm Gisela, die wiederholt im Hintergrund diabolisch ihre Fäden zieht. Es stellt sich heraus, dass sie zum sogenannten „Rugard-Bund“ gehört, einem nationalen, paramilitärischen Geheimbund. Wahrscheinlich hat der Autor hier Anleihen bei der „Thule-Gesellschaft“ genommen. Gisela Zenk will Sukrow auf die nationale Seite ziehen. Im Laufe der Handlung entpuppt sie sich immer mehr als männermordender Vamp, eine „Femme fatale“, die als nationalistische Mata Hari alle Männer um den Finger wickelt und, nur um an Papiere zu kommen, auch für einen belgischen Besatzungsoffizier skrupellos die Beine breitmacht (was natürlich nur angedeutet ist). Sie selbst ist streng national, antisemitisch und wird nicht müde, sich selbst immer als „blondes, deutsches Mädchen“ zu bezeichnen. Man sieht, der unterschwellige linke Hass auf die Elite der weißen Rasse ist uralt.

Die blonde Gisela ist dann beim roten Ruhraufstand als Agentin tätig und entkommt gut getarnt über den Rhein; nämlich maskiert als Ursulinen-Ordensschwester, die an Lupus leidet. Anschließend sorgt sie noch dafür, dass ein angeblicher Verräter, der eigentlich unschuldig ist, „der Feme verfällt“.

Die schwarz-weiß-rote Mata Hari charakterisiert sich selbst so: „Mir macht Mummenschanz von jeher Spaß, und dieser hier umso mehr, da er unserer guten Sache dient. Tatsächlich war er nicht ganz ohne Gefahr, denn wenn die Herren Räte mich auf meine Post erwischt hätten, wären sie wohl wenig zärtlich mit mir verfahren. Aber das Aufregende und Prickelnde ist mein Lebenselement! Ich verstehe nicht, wie es die Leute in der langweiligen Zeit vor dem Kriege überhaupt aushielten. Wenn ich ein Mann wäre, würde ich Soldat werden. Leider gibt es noch keine Walkürenregimenter, wo man die Kugeln pfeifen hören kann.“ – Tja, Fräulein Gisela wäre auch eine Frau nach meinem Geschmack.

Im Prinzip ist Gisela Zenk die heimliche Heldin des Romans, obwohl der Autor sie als abstoßende nationalistische Abenteurerin und Geheimbündlerin darstellen will. Dagegen bleibt der von ihm installierte Romanheld Ernst Sukrow irgendwie weich und blass, und ist in keinster Weise mit Hans Krafft aus Zöberleins Roman „Der Befehl des Gewissens“ zu vergleichen; nicht nur wegen der unterschiedlichen politischen Einstellung der beiden konträren Romanhelden.

Proletarier-Roman und Freikorps-Atmosphäre

Alles in allem verfällt der Autor jedoch nie in sozialistischen Schwulst oder langweilige Klassenkampf-Diskussionen, wie sie in realsozialistischen Romanen oft vorkommen. Die roten Ruhrkämpfer werden immer mit harten, markigen Gesichtern geschildert, im Gegensatz dazu die „Kappisten“ und die „Spießbürger“, die immer feige sind und aus deren Blicken der Hass spricht.

Grundsätzlich werden die Bürgerlichen im Roman immer als hassende, verschlagende Feiglinge und Spießer beschrieben. Ist die bürgerliche Mitte der heutigen BRD etwa anders?

Nach dem Bielefelder Abkommen, bei dem sich die kämpfenden Parteien nach der Abdankung der Kapp-Regierung geeinigt hatten, werden Freikorps und Regierungstruppen in der Handlung von den roten Ruhrkämpfern wieder als „Noskes“ tituliert. Denn die gehen weiter gegen die kämpfenden Kommunisten vor, während SPD und Gewerkschafter auch wieder Ordnung, Ruhe und Frieden wollen. Die Kommunisten wiederum fühlen sich von der republikanischen Regierung, die sie vor den „Kappisten“ schützen wollten, verraten. Der Autor benutzt für die Kommunisten gerne die Begriffe „Arbeiter“ und „Proletarier“, die natürlich immer irgendwie etwas Edles an sich haben.

Ernst Sukrow ist nach all den Kämpfen und den einsetzenden Standgerichten durch die Freikorps nun enttäuscht von SPD, USPD und Gewerkschaften, wegen des angeblichen Verrates an den Arbeitern. Trotzdem bleibt es am Ende offen, ob er sich den Kommunisten anschließen wird.

Während in der Freikorpsliteratur bedauert wird, dass bei den Auseinandersetzungen von 1919-23 Deutsche auf Deutsche schießen, und doch trotz allem der Volksgemeinschaftsgedanke propagiert wird, da die Roten dort in der Romanhandlung meistens durch volksfremde Elemente verführte Volksgenossen sind (ausgenommen Verbrecher und Asoziale, die sich den Bolschewisten nur anschließen, um im Trüben zu fischen), wird hier während der gesamten Handlung und der spannend geschilderten Kämpfe jedoch der Fokus einseitig nur auf die Proletarier gerichtet.

Doch da, ziemlich am Ende der Kämpfe und nach beschriebenen Erschießungen von Roten durch Freikorpsangehörige, lässt der kommunistische Autor Grünberg einen Freikorpsoffizier Folgendes sagen:

„Schade, sagt gedankenvoll ein Offizier beim Anblick der Toten, wir hätten sie doch lieber aushungern und dann zum Anschluss an uns bewegen sollen. Solche tapferen Kerle fehlen uns; daran dürft ihr euch ein Beispiel nehmen!“ 

Dieser Satz hätte auch in den Freikorpsroman eines nationalen Schriftstellers gepasst.

Erstveröffentlichung in N.S. Heute #42

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