Die Faszination der Verwerfungen
Reiseberichte fristen zu Unrecht ein Nischendasein in der rechten und nationalen Publizistik. Die meisten politischen Sachbücher beschäftigen sich mit der großen Weltpolitik, mit den globalistischen Strippenziehern im Hintergrund und ihren Marionetten in den Parlamenten; doch wie ergeht es eigentlich den einfachen Menschen auf den aktuellen Schlachtfeldern der Geopolitik? Der russische Dramaturg und Journalist Ilia Ryvkin, Jahrgang 1974, sprach mit den Menschen in der Ukraine, im Donbass, in Weißrussland und in der Russischen Föderation über Krieg, Corona und Widerstand. Es sind Ausschnitte aus dem Lebensalltag der Menschen, die uns manchmal ungewöhnlich vertraut vorkommen, ein anderes Mal wie von einem anderen Teil der Erde klingen, obwohl sich die Geschehnisse nur einige hundert Kilometer entfernt von der deutschen Staatsgrenze abspielen.
Der in Berlin lebende Autor ist dem interessierten Publikum vor allem durch Lyrik und Kurzprosa bekannt. Als Bühnenautor hat Ryvkin mehrere Theaterstücke geschrieben, und er hat auf der Biennale 2012, zusätzlich zu seinen eigenen Beiträgen, ein Seminar für zeitgenössische russische Poesie kuratiert. Dennoch erschien sein Reisetagebuch nicht etwa bei Ullstein oder Rowohlt, sondern im rechten Jungeuropa-Verlag aus Dresden, was erneut zeigt, dass kontroverse Literatur zunehmend im rechten alternativen Bereich ihren gerechten Platz findet. Mit großem erzählerischen Talent berichtet Ryvkin von seinen Reisen nach Osteuropa zwischen September 2020 und November 2022, mit einem Prolog aus der Ukraine des Jahres 2016. In Weißrussland beobachtet er die Proteste gegen die Lukaschenko-Regierung, spricht in der Donbass-Region mit Zivilisten und Soldaten und besucht in Russland ein orthodoxes Kloster im Corona-Widerstand.
Neben dem Russland-Ukraine-Konflikt nimmt die Zeit der Pandemie-Inszenierung einen breiten Raum ein. Während sich überall auf der Welt die angeblich „demokratischen“ Staaten gegenseitig überboten, ihre Staatsbürger mit diktatorischen Unterdrückungsmaßnahmen zu drangsalieren, verhängte der „Tyrann“ Lukaschenko weder eine Maskenpflicht, noch gab es Ausgangssperren oder Demonstrationsverbote – auch nicht, um kritische Demos zu unterbinden, an denen Ryvkin als eine Art „eingebetteter Journalist“ selbst teilnahm. In Russland, wo die freiheitsentziehenden Maßnahmen ähnlich streng waren wie im Westen, analysierte der Autor drei Arten des Corona-Widerstandes, die seinen Beobachtungen zur Folge entweder sozial-patriotisch, kirchlich oder libertär geprägt waren.
An welchen Brennpunkten des Weltgeschehens Ryvkin auch immer auftaucht, scheinbar lässt er sich dabei nie aus der Ruhe bringen. Schikanen, Gewalt, auch seine eigene kurzzeitige Festnahme in der russisch-ukrainischen Grenzregion verfolgt er mit einer gewissen Faszination, zumindest mit neugierigem Interesse. Doch wenn wir ehrlich sind: Schauen wir nicht alle den Verwerfungen auf dem Parkett der Weltbühne mit einer gewissen Mischung aus Faszination und Entsetzen zu? Die fragmentarischen Einblicke in das Leben der einfachen Menschen, die umgeben sind von Krieg, Gewalt, Armut und Korruption sind es, die das Buch so besonders machen. Ryvkin lässt zwar hin und wieder seine eigene Meinung durchblicken, doch vermeidet stets klare Standpunkte. Im Wesentlichen beschränkt er sich auf die Rolle des Betrachters, konkrete Lösungsvorschläge für die Probleme in Russland, der Ukraine und in Weißrussland scheint auch er nicht parat zu haben.
Das Fehlen eines Bilderteils wird durch das lebhafte Erzähltalent des Autors wettgemacht, wodurch in den Köpfen der Leser Bilder hervorgerufen werden. Insgesamt kann „Russendämmerung“ – der Titel spielt übrigens auf eine von „imperialen Patrioten“ besuchte Moskauer „Flüsterkneipe“ zu Zeiten des Corona-Wahnsinns an – einen weiteren Baustein dazu leisten, die verschiedenen Standpunkte auf dem osteuropäischen Konfliktschauplatz verstehen zu lernen. Das 296-seitige Werk ist in edlem Halbleinen gebunden und kostet 24,00 €.
Erstveröffentlichung in N.S. Heute #39
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