Europa vor dem Weltenbrand
Pierre Drieu la Rochelle (1893-1945) gilt als der Dandy des europäischen Faschismus. In seinen Romanen stellte er vor allem die Dekadenz der französischen Bourgeoisie der Dritten Republik dar. Nach der Besetzung Frankeichs durch deutsche Truppen ging er 1940 in die Kollaboration und vertrat einen prodeutschen Standpunkt, bis er sich schließlich – desillusioniert und im Angesicht des Zusammenbruchs sämtlicher Zukunftsvisionen – im März 1945 das Leben nahm. Trotz seiner Liebäugelei mit dem Faschismus gilt Drieu in Frankreich bis heute als „umstrittener Klassiker“, 2012 wurde sein Lebenswerk sogar in die renommierte „Bibliothèque de la Pléiade“ aufgenommen.
Mit der Neuerscheinung aus dem Dresdener Jungeuropa-Verlag liegen erstmals die gesammelten Reiseberichte Drieus aus den Jahren 1931-1942 in deutscher Übersetzung vor, was den deutschsprachigen Lesern eine neue Facette an dieser faszinierenden Persönlichkeit eröffnet: Drieu nicht nur als Romancier und als Verfasser politischer Aufsätze, sondern auch als Reiseschriftsteller und Beobachter geopolitischer Umwälzungen.
Der Schriftsteller bereist Europa am Vorabend des Zweiten Weltkrieges: Das „junge“ Europa wird durch das faschistische Italien und das nationalsozialistische Deutschland repräsentiert, während die „Alte Welt“ in Gestalt von Frankreich und dem Vereinigten Königreich (das von Drieu nicht bereist wird) parlamentaristisch geblieben sind. Zum anderen wären da noch die bolschewistisch gewordene Sowjetunion sowie die „kleinen“ Donaustaaten Ungarn und Tschechoslowakei, die der Bedrohung ausgesetzt sind, zwischen den gewaltigen Machtblöcken zerrieben zu werden. Dies ist die politische Lage, wie sie sich für Drieu darstellt, der sich selbst als „Vernunfteuropäer“ sieht, doch anhand seiner Texte auch als schwärmerischer „Gefühlseuropäer“ erkannt wird, wie es im Vorwort des profunden Drieu-Kenners Benedikt Kaiser heißt.
Zum Deutschen Reich pflegte Drieu ein eher ambivalentes Verhältnis: Im Grunde fand er den NS-Staat zu bürgerlich, er meinte ein Lavieren zwischen Kapitalismus und Sozialismus zu erkennen, doch immerhin findet er Anerkennung für den nationalsozialistischen Baustil. Der „faschistische Stil“ ist es auch, der den späten Drieu zu einem Sympathisanten des italienischen Faschismus machte: Er berichtet über das gewaltige Aufbauwerk in Italien, über soziale Errungenschaften und Fortschritte in der Landwirtschaft. Der Syndikalismus scheint es ihm besonders angetan zu haben: Im italienischen Faschismus gab es getrennte Gewerkschaften für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die sich allerdings nicht antagonistisch gegenüberstanden, sondern gemeinsam für das „große Ganze“ an einem Strang zogen (oder ziehen mussten).
Und wie sieht der „faschistische Dandy“ die Sowjetunion? Drieu meint einige vermeintliche „Parallelen“ zwischen Bolschewismus und Nationalsozialismus zu erkennen, was bei genauerer Betrachtung jedoch sehr konstruiert wirkt. Auch wenn die traditionellen familiären Werte, die in Sowjetrussland gepflegt worden sein sollen, eher für „rechtes“ Denken sprechen, kann jedoch nicht darüber hinweggegangen werden, dass es sich beim NS/Faschismus auf der einen und beim Bolschewismus auf der anderen Seite um die zwei großen ideologischen Gegenspieler in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts handelte, was den Parlamentarismus schließlich zum „lachenden Dritten“ machte.
Abschließend können wir Drieus Weltbild zusammenfassen, dass er sich eher als Paneuropäer und nicht als Nationalist gesehen hat. „Paneuropäisch“ war Drieu natürlich nicht im Sinne des unseligen Grafen Coudenhove-Kalergi, sondern sein „paneuropäisches“ Weltbild war schwärmerischer, idealisierender, romantisierender, kurz: faschistischer. Die in diesem Band zusammengestellten Aufsätze zeigen einen Drieu, der für ein sozialrevolutionäres und föderalistisch grundiertes Europa eintritt, im Geiste der europäischen Einigung. Diese Sehnsucht brennt weiter in den Herzen derjenigen, die heute für eine europäische Erneuerung kämpfen.
Erstveröffentlichung in N.S. Heute #32
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Sehr gute Beschreibung/Zusammenfassung. Ich habe das Buch, muss es aber noch lesen. Ich bin gespannt. Mittlerweile bin ich ein Gegner der EU (oder dieses Experimentes). Die EU hat kein europäisches Herz und verkörpert nicht die europäischen Nationen (zu denen ja auch Russland gehört, mit seiner Geschichte einer langen Integration in das alte Europa.) Trotzdem wäre es sehr schade, wenn europäische, einigende Gedanken hierdurch beschmutzt werden würden und zur Abkehr führten. Insofern kann man junge nationale Kräfte nur ermutigen, ein kommendes Europa nicht als Widerspruch zu nationalen Gedanken zu sehen. Was Nationalisten in der Vergangenheit für Fehler gemacht haben, sollte analysiert werden und in einer zukünftigen Entwicklung als Ansporn zum Bessermachen gesehen werden. Das Leid der Vorfahren darf nie vergebens gewesen sein. Deutsche und Russische Soldaten sollen vor Stalingrad gemeinsam Wodka getrunken haben – auch sie wollten sicher eine andere Lösung. Das sollte uns ein Vermächtnis sein.