Ein Neurechter entdeckt die Systemfrage? Durchaus spannend, was der Verlag Antaios seinen Lesern verspricht, denn Manfred Kleine-Hartlage beschäftigt sich in seiner neuesten Publikation nicht nur mit dem „Scheitern der Republik“, sondern auch mit dem „Tag danach“, also dem Tag nach dem Zusammenbruch des Systems. Der diplomierte Sozialwissenschaftler (Jahrgang 1966) hat sich in den letzten gut zehn Jahren einen Namen als rechter Islamisierungs- und Globalismus-Kritiker gemacht. Nachdem seine letzten Bücher eher von Ideologie und Ideologiekritik handelten, seziert der Autor diesmal das politische System an sich – durchaus gelungen, aber hinten raus mit einigen Mängeln.
Kleine-Hartlage beschreibt anhand konkreter Beispiele wie Einwanderung, Klima, Corona usw. die „schleichende Umwandlung der BRD in ein totalitäres Staatswesen“, begünstigt durch eine „psychopathische Persönlichkeitsstörung“ der Protagonisten des herrschenden Systems, das der Autor durchgängig als „Kartell“ bezeichnet. Da sich das Kartell in allen grundlegenden ideologischen Fragen einig sei, komme der politische Wettbewerb in jeder relevanten Hinsicht zum Erliegen. Der „paranoide Stil“, mit dem das Kartell seine Agenda durchziehe, führe zuerst zum Ausschluss bestimmter Ansichten aus der Gesellschaft, schließlich zur Politisierung aller Lebensbereiche und der knallharten Durchsetzung von totalitären Sprach- und Diskursregeln.
Rhetorisch beherrscht der Autor sein Handwerk: die Wortwahl ist prägnant, die Argumentation schlüssig. Was bei Kleine-Hartlage nervt, ist die Neigung des Ex-Linken, die Herrschaft des Kartells ständig mit „Nazi-Methoden“ zu vergleichen. Dabei sind es gewiss keine „Nazis“ und auch keine „Faschisten“, die eine Corona-Diktatur errichtet haben! Tatsächlich gehören vermeintliche oder tatsächliche Nazis heute zu jener Oppositionsbewegung, die am vehementesten für die Wiederherstellung der Freiheitsrechte eintritt. Es sind auch ganz sicher keine „SA-Methoden“, die heute von den Zeugen Coronas, Klimajüngern, Genderschwurblern und Willkommensklatschern angewendet werden, sondern es sind die genuinen Methoden derjenigen, die sich selbst als „Demokraten“bezeichnen.
Für weiteres Kopfschütteln dürfte der Autor bei vielen Lesern sorgen, wenn er die Behauptung aufstellt, die Opposition habe bisher als einzige Perspektive die demokratische, systemkonforme Option im Auge gehabt. Offensichtlich hat sich Kleine-Hartlage selbst viel zu lange in solchen systemkonformen, scheinoppositionellen Kreisen herumgetrieben, denn sonst würde er wissen, dass die Systemfrage von authentischen Nationalisten bereits seit Jahrzehnten gestellt wird und nicht erst, seitdem der Autor sie vor kurzem selbst entdeckt hat.
So viel Energie, wie der Autor auf den ersten 190 Seiten in die Fehlerdiagnose gesteckt hat, so dürftig bleiben leider die Schlussfolgerungen: Die Entmachtung des Kartells durch Wahlen sei praktisch nicht möglich, doch die Opposition könne es aus eigener Kraft nicht stürzen, deshalb sei sie auf das Handeln „anderer Akteure“ angewiesen. Doch wer sollen diese Akteure sein? Überläufer aus dem System etwa, oder eine ausländische Macht? Kleine-Hartlage bleibt hier im Vagen. Ohnehin gewinnt der Leser gegen Ende des Buches den Eindruck, der Autor würde die Notbremse ziehen und nach seiner treffenden Systemanalyse nun davor zurückschrecken, ein klares strategisches Konzept für die Entmachtung des Kartells vorzulegen. Diese Angst vor der eigenen Courage zeigt sich auch bei der abschließenden Frage, was am „Tag danach“ in Deutschland passieren solle: Parteien und Meinungsmacher sollen entmachtet, die Regierungskriminalität der BRD aufgearbeitet werden. – Alles gut und schön, doch eine positive Zukunftsvision, wie ein neues Deutschland aussehen könnte, vermag der Autor seinen Lesern leider nicht zu vermitteln. Trotz der genannten Mängel ist das Buch als Diskussionsbeitrag für den kritischen Leser durchaus zu empfehlen.
Erstveröffentlichung in N.S. Heute #28
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