Wohlwollend-kritischen Beobachtern der Neuen Rechten war es nicht entgangen, dass die Denkzirkel rund um das Institut für Staatspolitik (IfS) und Götz Kubitscheks Antaios-Verlag um wirtschaftliche Fragen lange Zeit einen großen Bogen machten. Wollte man dieses heiße Eisen nicht anfassen, um den starken neoliberalen Flügel innerhalb der Neuen Rechten nicht zu verprellen? Oder hat die neurechte Intellektuellengesellschaft aus Schnellroda zu diesem Themenkomplex selbst keine einheitliche Meinung? Jedenfalls schickt sich der studierte Politikwissenschaftler Benedikt Kaiser (Jahrgang 1987) nun an, mit seiner im vergangenen Jahr erschienenen Ausarbeitung „Solidarischer Patriotismus – Die soziale Frage von rechts“ diese Lücke im zeitgemäßen neurechten Denken zu füllen – und zeigt dabei recht brauchbare Ansätze.
In den ersten fünf Kapiteln schlägt Kaiser den historischen Bogen vom Aufkommen der modernen sozialen Frage im Zuge der Industrialisierung der westlichen Welt Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart, woran sich ein Ausblick auf die kommenden Jahrzehnte anschließt. Im abschließenden sechsten Kapitel fasst er die gewonnenen Erkenntnisse zusammen und skizziert praxisorientiert konkrete taktische Handlungsschritte unter besonderer Berücksichtigung der politischen Situation in den mitteldeutschen Bundesländern.
„Sozialer Patriotismus“ strebe nach einem „konstruktiven, zukunftsfähigen Verständnis einer gehegten sozialen Marktwirtschaft im Zeichen einer solidarischen und patriotisch rückgebundenen Leistungsgemeinschaft“. Der kommunistischen Planwirtschaft wird ebenso eine Absage erteilt wie dem Kapitalismus, der sich ausschließlich des Profitstrebens verpflichtet wisse und der es versäume, den erarbeiteten Mehrwert gerecht zwischen Volk und Staat auszupendeln. Der junge Politikwissenschaftler, der als Lektor im Antaios-Verlag arbeitet, sieht sich historisch in der Tradition der preußischen Konservativen des späten 19. Jahrhunderts und der Konservativen Revolution der 1920er-Jahre; auch der „linke Nationalsozialist“ Otto Strasser wird von Kaiser recht positiv rezipiert.
In dem Kapitel über die Geschichte der sozialen Frage in Deutschland werden der Zeit des Nationalsozialismus fünf Seiten gewidmet. Kaiser nennt die Wirtschaftspolitik des Dritten Reiches eine „völkische Modifikation der kapitalistischen Strukturen“, da das Privateigentum an den Produktionsmitteln auch in Großbetrieben unangetastet geblieben sei. Eine praktische Umkehr wider die kapitalistische Tagesordnung habe es nicht gegeben. Doch scheint der Autor nicht recht zu wissen, wie er sich denn nun genau zu positionieren gedenkt, da er an anderer Stelle darauf hinweist, dass die kapitalistische Logik – das Profitstreben um des Profits wegen – im Nationalsozialismus als schädlich galt (man könne ergänzen: und auch sanktioniert wurde). Kaiser stellt einige wichtige Maßnahmen auf dem Gebiet der Arbeits- und Sozialpolitik des Dritten Reiches dar, doch scheint er diese zugleich kleinreden zu wollen. Zunehmend verfällt er dabei in eine politisch korrekte Diktion, etwa dann, wenn er in reinstem Gutmenschen-Sprech über den „Vulgärbiologismus eines anvisierten Herrenmenschentums“ schwadroniert. Etwas mehr Sachlichkeit und Unaufgeregtheit hätte dem Autor, der immerhin im Nationalen Widerstand politisch sozialisiert wurde, an dieser Stelle gutgetan. Die Frage, wie sich die Wirtschaftspolitik im Dritten Reich entwickelt hätte, wenn der Nationalsozialismus eine längere oder gar andauernde Friedensperiode zur Verfügung gehabt hätte, muss wegen des bekannten Geschichtsverlaufs jedenfalls im Bereich der Spekulation bleiben.
Doch zurück zum eigentlichen Gegenstand des Buches, der sozialen Frage heute und morgen: Wie Kaiser richtig analysiert, dürfen die schweren Verfehlungen des bundesrepublikanischen Staates auf wirtschaftlichem Gebiet nicht dazu führen, dass die „Idee des Staates“ an sich über den Haufen geworfen wird, wie es zum Beispiel bei den heutigen Libertären der Fall ist. Der Staat als Organisationsform des Volkes sei deshalb grundsätzlich als positiv wahrzunehmen, sofern die Politik auch tatsächlich im Sinne des Gemeinwohls agiere.
Das sozial-patriotische Modell, wie Kaiser es verstanden wissen will, „fördert Arbeit und ein positives Verständnis von ihr, gewichtet Leistung über Müßiggang und stellt ‚preußische‘ Vorstellungen von Dienst, Pflicht und Arbeitsbereitschaft für das große Ganze wieder in den Vordergrund“. Dem arbeits- und mühelosen Einkommen (durch Rendite, Zins usw.) soll entgegengewirkt, die „Vererbung“ von Posten und betriebswirtschaftlichem Vermögen soll erschwert werden. Die Vorschläge des Autors, den Spitzensteuersatz anzuheben und die Reichensteuer einzuführen, sind jedoch kritisch zu betrachten, erscheinen solche Maßnahmen doch eher als ein Herumdoktern an den Symptomen und nicht wie die Bekämpfung der Krankheit. Wenn nämlich erstmal, wie der Autor es selbst an anderer Stelle vorschlägt, die Einkommens- und Vermögensunterschiede grundsätzlich an „reale Unterschiede bei erbrachter Leistung, Dienstbereitschaft und Fleiß“ gekoppelt sind, bräuchte man sich über Steueranpassungen für Superreiche keine Gedanken mehr zu machen, da es praktisch keine Multimillionäre mehr geben würde, denen man mit einer Reichensteuer zu Leibe rücken müsste.
Zuzustimmen ist jedenfalls der zentralen These, dass das Primat der Wirtschaft zugunsten eines Primats der Politik gebrochen werden müsse, und zwar nicht nur auf materieller Ebene, sondern auf ideeller Ebene, im Denken unserer Landsleute. Doch wie soll die „gehegte soziale Marktwirtschaft“ nun genau ausgestaltet sein? Hier geht Kaiser bedauerlich wenig ins Detail, er bricht immerhin folgenden Dreisatz herunter, wie die Unternehmensordnung im Solidarischen Patriotismus gestaltet werden könnte: „Kleine frei gewähren lassen, die Mitte beobachten (und nötigenfalls intervenieren), die Großen kontrollieren (durch Staatsbeteiligungen und korporatistische Modelle)“, wobei dem Autor die Abgrenzungsschwierigkeiten, welche Betriebe als „klein“, „mittel“ und „groß“ anzusehen sind, durchaus bewusst sind. Schlüsselindustrien jedenfalls gehörten grundsätzlich in öffentliche Hand, um Spekulationen, zum Beispiel mit Wasser und Strom, den Boden zu entziehen. Auf regionaler Ebene stellt Kaiser als Alternative zum Globalkapitalismus das Konzept der „nachbarschaftlichen Marktwirtschaft“ seines Mitstreiters Felix Menzel vor, das wir sehr ähnlich bereits unter dem Namen „raumorientierte Volkswirtschaft“ aus dem Parteiprogramm der NPD kennen.
Zu guter Letzt plädiert Kaiser für eine weltanschauliche und strategische Ostorientierung der Rechten. Das rechte Lager könne in „Ostdeutschland“ (gemeint ist Mitteldeutschland) sein Potential besser entfalten und habe dort mehr Empfänger seiner politischen Botschaften. Angesichts der tiefschürfenden und leider sehr erfolgreich vonstattengegangenen Umerziehung in Westdeutschland sei der Wille zur Subjektwerdung Deutschlands heute vor allem bei unseren mitteldeutschen Landsleuten erkennbar. Durch das Zusammenspiel der „Mosaik-Rechten“ inner- und außerhalb der Parlamente könne in einigen mitteldeutschen Modellregionen eine „Wende im Kleinen“ gelingen, die Vorbildcharakter auch für andere Teile Deutschlands haben könnte.
Nun, dieses ambitionierte Projekt könnte sicherlich einfacher gelingen, wenn sich die Vordenker der Neuen Rechten nicht kategorisch jeglicher Zusammenarbeit mit dem nationalistischen Spektrum verschließen würden. Auf der linken Seite des politischen Spektrums wird es uns schon lange vorgemacht, wie erfolgreich ein situationsgebundenes, punktuelles Zusammenwirken von „Fundis“ und „Realos“ sein könnte.
Im Endeffekt bleiben die lösungsorientierten Betrachtungen und Leitlinien des Autors leider ziemlich vage und nicht sehr ausgefeilt, doch auf der anderen Seite muss man so fair sein, dass man von einem jungen Autor natürlich nicht verlangen kann, ein umfassendes Wirtschafts- und Sozialkonzept auf den Tisch zu legen. Ein Anfang ist jedenfalls gemacht.
Erstveröffentlichung in N.S. Heute #25
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