„Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält“, ruft Goethes Faust und beschreibt damit auch die Aufgabe der Philosophie, die Existenz der Welt und der Menschen zu ergründen und zu begreifen.
So spektakulär wie bei Faust mithilfe des Teufels geht es in der Philosophie aber selten zu. Meist handelt es sich um lange und langweilige theoretische Texte, die für die Anschauung der Welt wenig Erkenntnisgewinn bringen.
Nicht so bei Nietzsche. Sein Schreibstil ist kurz, zugespitzt, dichterisch und auf höchstem geistigen Niveau.
Mit seiner scharfen Moral-, Religions- und Kulturkritik gehört er zu den einflussreichsten Denkern und ist weltweit der beliebteste und am meisten gelesene und kommentierte Philosoph, zu dem in der Gegenwart auch am meisten publiziert wird – Professor Schenkel von der Nietzsche-Gedenkstätte sagt auch: „Nietzsche liebte es, Systeme aufzubrechen und zu durchbrechen, er war der ‚Systemfeind‘ par excellence. In seinen Schriften provoziert er immer wieder.“
Der bei Leipzig geborene Nietzsche lebte im 19. Jahrhundert und wurde bereits mit 24 Jahren Universitätsprofessor in Basel. Später arbeitete er intensiv an seinem eigenen Werk und sprengte mit seinem Denken und Stil bis dahin Dagewesenes. Der Dichter Gottfried Benn bezeichnete ihn als das „größte Ausstrahlungsphänomen der Geistesgeschichte“.
Warum Nietzsche?
Für uns ist er gerade wegen der provokanten und radikalen Systemkritik sehr interessant. Nicht nur, dass er sehr realistisch in seinen Urteilen ist, er betrachtet die Dinge ganzheitlich ineinandergreifend, und er liefert auch aktive Lösungswege aus der gegenwärtigen, tiefen Krise Europas, die er schon damals, zum Ende des 19. Jahrhunderts, vorausgesehen hat.
Das haben auch die linksradikal beherrschten Universitäten erkannt, Professor Schenkel wieder: „Das Problem bei der Beschäftigung mit Nietzsche an der Universität besteht darin, dass es mittlerweile eine Grundstimmung gibt, die die Beschäftigung mit ihm als politisch rechts ansieht. Das ist eigentlich prähistorisches Verhalten: Berührungstabus.“
Dabei sah Nietzsche gerade die heutige Welt der übersäuerten Moral und der mitleidigen Humanität des Gutmenschentums genau so voraus, die ein Schauspiel der tausend Opferrollen bietet und so aggressive Minderheiten nach oben spült, die nur Macht und staatliche Vollfinanzierung wollen, in Verbindung mit der Beherrschung und Bevormundung der dummen großen Schafherde, die alles mit sich machen lässt und sogar noch begeistert zustimmt.
Einen weiteren wichtigen Grund, sich aktuell mit Nietzsche zu beschäftigen, liefert er selbst: Nietzsche fordert auf, seine Werke sollen erst 100 Jahre nach seinem Tod gelesen werden, damit man sie verstehe.
Nietzsches Gedankenwelt kurzgefasst
„Was wäre, wenn die Mehrzahl unserer Werte, die man uns seit frühester Kindheit eintrichtert und die uns dazu verpflichten sollen, Toleranz, Nächstenliebe, Freundlichkeit, Weltoffenheit, Menschlichkeit, die Schwachen und Unterdrückten, Gewaltlosigkeit, die Gleichheit und den Fortschritt zu verehren und in diesen Werten und Erscheinungen stets die Wahrheit und das Glück zu erblicken, in Wirklichkeit nichts anderes sind, als üble Ausgeburten der Dekadenz und deutliche Anzeichen eines abgründigen Nihilismus [eines Untergangs ins Nichts], der frechsten Lüge und des gefährlichsten Hasses?“
Diesen provokanten, aber treffenden Einstieg in Nietzsches Gedankenwelt fand Rochedy, Nietzsche-Kenner, Denker der europäischen Rechten und Autor des aktuellen Buchs „Nietzsche – der Zeitgemäße“, in einem Vortrag über den Philosophen.
Über diesen einen Satz hinaus will ich Euch hier eine kurze Zusammenfassung von Nietzsches Philosophie bieten, die wichtig ist für alle, die unsere oft als kompliziert und chaotisch empfundene Welt besser verstehen wollen.
Er gilt als Meister der treffenden und geistreichen Kurzform und des mitreißenden Schreibstils. Die Werke sind manchmal künstlerisch aufbereitet, im Hauptwerk „Also sprach Zarathustra“ werden wichtige Punkte seiner Philosophie spektakulär als Erzählung verpackt.
Nietzsche hat wohl absichtlich keine Systematik seiner Philosophie aufgebaut, wie sonst üblich, er wählte zu jedem Zeitpunkt die Freiheit der Methode, der Betrachtung und des Denkens.
Hier die wesentlichen Punkte von Nietzsches Weltbild:
– Ewige Wiederkunft des Gleichen
Hintergrund seiner Philosophie ist die Erkenntnis des ewigen Kreislaufs der Natur mit Werden, Sein und Vergehen: „Alles geht, Alles kommt zurück; ewig rollt das Rad des Seins. Alles stirbt, Alles blüht wieder auf, ewig läuft das Jahr des Seins. Alles bricht, Alles wird neu gefügt.“
Diese realistische Sichtweise ist nicht selbstverständlich, sieht man doch oft abwegige Theorien zur Entwicklung und zum Ende der Welt mit Jüngstem Gericht und Jenseits, oder im Kommunismus entsprechend das vorausgesagte Ende der Weltgeschichte als Diktatur des Proletariats.
– Wille zur Macht
Der Grund alles Seienden ist nach Nietzsche der Wille zur Macht eines Jeden im Sinne des Willens, sich durchzusetzen im ewigen Kampf und Wettbewerb des Lebens. Mit dem Willen zur Macht beschreibt er die Triebfeder allen Geschehens auf der Welt.
Zusammen mit der Ewigen Wiederkunft des Gleichen ist dieser ewige Kampf ums Dasein Nietzsches philosophische und realistische Umschreibung der modernen wissenschaftlichen Evolutionsbiologie, die tatsächlich die Entwicklung des Lebens auf der Erde als einen ewigen Wettbewerb zur Auslese des Überlebensfähigeren und Besseren.
Hier üben linke Vordenker bis heute abwegige Kritik an diesen und anderen Erkenntnissen der Biologie, weil sie nicht in ihre Weltbilder passen.
– Kritik der Moral
Zuerst beschreibt er die „aristokratische Moral“, welche die vorherrschende Moral der Antike war und zu den verschiedenen Hochkulturen geführt hat. Das ist die Moral der Kämpfer, Entscheider und Lenker, die Gemeinwesen und Kulturen aufbauen und Kriege führen.
Mit dem Sieg des Christentums in Europa setzte sich aber die „Sklavenmoral“ durch – den Mittelmäßigen, Nichtsnutzen und Neidgetriebenen gelang der moralische Umsturz, der Starke ist nun der Böse und disqualifiziert, der Mindere der Gute, damit vollzieht das Christentum die vollkommene Umkehr der Werte in der Moral und greift zur Macht. Im Marxismus sieht Nietzsche die zu Ende gedachte Tyrannei der Sklavenmoral.
Die linke „humanitäre Gesellschaft“ ist das neueste Produkt dieser Werteumkehr, wo sich Mittelmäßige, Nichtsnutze und Neidgetriebene emporschwingen und im Brustton moralischer Rechthaberei Vorschriften machen, was jeder zu tun und zu lassen hat, und Strafen aussprechen.
– Gott ist tot
Die christliche Weltanschauung ist durch den Aufstieg der Geschichts- und Naturwissenschaften, aber insbesondere durch die Abkehr der Menschen von Gott, im Niedergang begriffen.
Nietzsche: „Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder?“ und „Ist nicht die Größe dieser Tat zu groß für uns? Müssen wir nicht selber zu Göttern werden, um nur ihrer würdig zu erscheinen?“, weiter zu „Tot sind alle Götter: nun wollen wir, dass der Übermensch lebe.“
Der Übermensch als Ziel
Das ist nicht nur der letzte wesentliche Punkt im Weltbild Nietzsches, es ist gleichzeitig sein Lösungsweg aus der tiefen Krise Europas.
Das Ziel und die Aufgabe der Europäer ist demnach nicht die Gleichheit in der Gleichförmigkeit des Mittelmaßes, sondern ein Idealbild hervorzubringen, das höher entwickelt ist als sie selbst, eben den Übermenschen.
Der bekannte Philosoph Safranski zu Nietzsches Bild vom Übermenschen: „Der Übermensch repräsentiert einen höheren biologischen Typus, er könnte das Produkt einer zielstrebigen Züchtung sein; er ist aber auch ein Ideal für jeden, der Macht über sich selbst gewinnen und seine Tugenden pflegen und entfalten will, der schöpferisch ist und auf der ganzen Klaviatur des menschlichen Denkvermögens, der Phantasie und Einbildungskraft zu spielen weiß. Der Übermensch realisiert das Vollbild des Menschenmöglichen, und darum ist Nietzsches Übermensch auch eine Antwort auf den Tod Gottes.“
Entdecken wir also den Übermenschen in uns.
Je offensichtlicher der Niedergang Europas wird, je heftiger die täglichen Erfahrungen mit dem Verlust der eigenen Interessen und Vorstellungen in der linken „humanitären Gesellschaft“ werden, mit der Überfremdung auf allen Gebieten, entsteht bei einigen Wenigen der Gedanke, nicht mehr als Sklave der geistigen Gleichmacherei und des Konsums zu dienen, sondern zu einer neuen Elite zu streben, zu einem neuen geistigen Aufbruch.
Dieser Aufbruch in eine bessere Zukunft ist nicht einfach nur mit einer Protestwahl und dem Lesen alternativer Kanäle vollzogen, es muss ein innerlicher Aufbruch sein, der die Seele aufrüstet für künftige Kämpfe.
Der Weg des Übermenschen beginnt mit dem Erkennen, dass der Sinn des Lebens im Hier und Jetzt ist, und nicht in Heilsversprechungen im Jenseits oder in einer zukünftigen Gesellschaft der gehirngewaschenen Konsumroboter.
Weiter gilt es, im Leben zu erschaffen und zu machen, seine Fähigkeiten im Sinne der Lebensverwirklichung zu entfalten und damit den Willen zur Macht in seinen eigenen Grenzen auszuschöpfen – das ist das Ideal der Übermenschen nach Nietzsche.
Es ist eine illusionslose Lebenshaltung bei anhaltender Kampfbereitschaft, ein heroischer Realismus, der eine neue Elite schmiedet.
Auseinandersetzungen um sein Werk
Als Nietzsche mit 44 Jahren einen geistigen Zusammenbruch erlitt, von dem er sich nicht mehr erholte – man sagt ja, Genie und Wahnsinn lägen nah beieinander –, hatte er schon einige Bücher veröffentlicht, aber als Nachlass gab es noch eine Fülle von unverarbeiteten Texten, Notizen und geistreichen Sinnsprüchen. Enge Vertraute sowie seine Schwester machten sich daran, das Nietzsche-Archiv aufzubauen und den Nachlass thematisch zu ordnen, und veröffentlichten sogar eine neue wirkmächtige Zusammenstellung daraus: „Der Wille zur Macht“.
Dies rief Kritiker auf den Plan, die ihre Stunde endlich gekommen sahen, als das in der DDR liegende Archiv aufgelöst wurde und Nietzsches Bücher dort praktisch verboten waren. Nur einem italienischen Kommunisten erlaubte die DDR die Sichtung und Neuordnung des Nachlasses, der erwartungsgemäß die Sinnzusammenhänge zerstörte und alles chronologisch wissenschaftlich ordnete – dabei hatte Nietzsche zeitlebens die streng formale und einengende Wissenschaft als mühselige Arbeit für mittelmäßige Geister kritisiert.
Linke haben sowieso ein merkwürdiges Verhältnis zu Nietzsche: Sie nutzen seine radikale Moral-, Religions- und Kulturkritik zur Dekonstruktion aller Werte, ignorieren aber Nietzsches Ausführungen zur Schaffung neuer Werte, zum Beispiel die aristokratische Moral oder den Übermenschen. Dabei war Nietzsches Kritik des Marxismus so grundsätzlich, wie sie folgerichtiger und vernichtender auch heute nicht denkbar ist. Für ihn ist der Marxismus die zu Ende gedachte Tyrannei der Geringsten und Dümmsten.
Auf der anderen Seite wurde Nietzsche „Deutschfeindlichkeit“ unterstellt, die aber nur mit seiner heftigen Kritik an den damaligen deutschen Verhältnissen begründet wurde – seine Kritik an den heutigen Zuständen wäre sicher noch heftiger. Seine damalige Vision einer Rettung ganz Europas vor dem Untergang ist heute auch aktueller denn je.
Geliebt, gehasst und viel gelesen lässt Nietzsche niemanden kalt. Weitere ins Einzelne gehende Beiträge zu Nietzsches Gedankenwelt folgen.
Zum ausführlicheren Einstieg in Nietzsches Philosophie empfehle ich das hervorragend geschriebene und gut verständliche Buch „Nietzsche – der Zeitgemäße“ von Julien Rochedy.
Hinweis des Autors: Das Denken eines der bekanntesten Philosophen der Welt in einen Artikel für tausende Leser auf wenigen Seiten zu komprimieren, ist keine einfache Sache. Deswegen freue ich mich über Kritik oder Anmerkungen zum Artikel an: christian.malcoci@protonmail.com.
Erstveröffentlichung in N.S. Heute #41
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