Der Organisator der „Rattenlinien“: Vor 40 Jahren starb Krunoslav Draganović

Krunoslav Draganović (1903-1983)

In den Monaten und Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg waren führende Kirchenvertreter eine große Hilfe für Personen, die von den alliierten Siegermächten gesucht wurden. Einer dieser Helfer war der kroatische Theologe und Franziskaner-Priester Krunoslav Draganović.

Geburt, Studium und Werdegang bis 1945

Krunoslav Stjepan Draganović erblickte am 30. Oktober 1903 im bosnischen Dorf Matići das Licht der Welt, welches damals zum Territorium der Habsburger-Monarchie gehörte. Früh verspürte er seine Berufung zum Priestertum, so begann er nach dem Besuch der weiterführenden Schule in Travnik ein Studium der Philosophie und Theologie in Sarajewo, am 1. Juli 1928 wurde er zum Priester geweiht. Von 1932-35 studierte der junge Priester am Päpstlichen Orientalischen Institut und an der Jesuitischen Gregorianischen Universität in Rom. Seine im Jahre 1935 verfasste Dissertation mit dem Titel „Massenübertritte von Katholiken zur Orthodoxie im kroatischen Sprachgebiet zur Zeit der Türkenherrschaft“ schrieb er in deutscher Sprache. In späteren Jahren wurde seine Dissertation von den Kommunisten missbraucht, um sie für ihre Propaganda gegen das kroatische Volk einzusetzen.

Nach seiner Dissertation kehrte Draganović im Jahre 1935 nach Bosnien zurück, das mittlerweile Teil des Königreichs Jugoslawien geworden war. Dort arbeitete er zeitweise als Sekretär für den Erzbischof Ivan Šarić, ein kroatischer Nationalist, der später von den Kommunisten verfolgt wurde und ins Exil nach Spanien flüchten musste. Als die Deutschen sechs Jahre später das Königreich Jugoslawien zerschlugen und Ante Pavelić den kroatischen Nationalstaat ausrief, begrüßten viele kroatische Kleriker diese Entwicklung und sahen es als ihre patriotische Aufgabe an, die Politik des neuen Volksstaates zu unterstützen. So dachte auch Draganović, der sich den neuen Herrschern andiente und zeitweise im Konzentrationslager Jasenovac arbeitete, bis ihn der Erzbischof von Zagreb, Alojzije Stepinac, im Juli 1943 nach Rom schickte. Dort angekommen, wurde Draganović Sekretär der kroatischen Nationalkirche im Kloster „Istituto San Girolamo degli Illirici“ in der Via Tomacelli nahe der Vatikanstadt. Zu diesem Zeitpunkt begann er bereits mit dem Aufbau einer Fluchtroute, die später als „Rattenlinie“ bekannt werden sollte.

Zusammen mit Bischof Alois Hudal (1885-1963) organisierte Draganović die Klosterrouten

Aufbau und Organisation der „Rattenlinien“

Als am 8. Mai 1945 das Deutsche Reich von einer unheiligen Allianz aus kapitalistischem Westen und kommunistischer Sowjetunion zerschlagen und zwischen den späteren Kräften der NATO und des Warschauer Paktes aufgeteilt wurde, begann für das deutsche Volk ein unfassbarer Leidensweg: Viele Millionen deutsche Zivilisten wurden vertrieben, ermordet und systematisch ausgehungert, unzählige deutsche Frauen vergewaltigt. Auch im Osten wurden die Völker, die sich im Krieg auf die deutsche Seite gestellt hatten, terrorisiert und stalinistischen „Säuberungen“ unterzogen. In dieser Zeit waren führende Vertreter der Kirche, insbesondere der römisch-katholischen Kirche, eine große Hilfe, um denjenigen eine Fluchtroute zu ermöglichen, die von den Alliierten unter dem Vorwurf, Kriegsverbrechen begangen zu haben, gesucht wurden. Währenddessen wurde die letzte deutsche Reichsregierung unter Großadmiral Dönitz verhaftet. In Nürnberg begann man bereits damit, sich auf den Hauptprozess gegen führende Nationalsozialisten vorzubereiten.

Zu dieser Zeit kamen die so genannten „Rattenlinien“ ins Spiel, auch als „Klosterrouten“ bekannt. Der Aufbau und die Durchführung der Rattenlinien wurde, so lauten die Forschungserkenntnisse, vom Vatikan unterstützt. Selbst Papst Pius XII. und sein engster Mitarbeiter Giovanni Montini (der spätere Papst Paul VI.) statteten Draganović und dem ebenfalls bei der Organisation der Fluchtrouten beteiligten österreichischen Bischof Alois Hudal mit Vollmachten und Kompetenzen aus, um die Ausschleusung organisieren zu können. Insbesondere deutsche Nationalsozialisten und kroatische „Ustascha“-Angehörige fanden in exterritorialen Einrichtungen des Vatikans Hilfe. In einigen Fällen wendete sich der Vatikan persönlich an die britische Regierung, um eine Auslieferung gesuchter Kroaten an Jugoslawien zu verhindern. Inwiefern westliche Geheimdienste bei der Organisation der Rattenlinien ihre Finger im Spiel hatten, darüber wird in Literatur und Forschung bis heute lebhaft gestritten.

Draganović und Hudal konnten jedenfalls viele Gesuchte dabei unterstützen, nach Südamerika oder ins franquistische Spanien zu flüchten, indem sie die Gesuchten mit falschen Reisepässen und Geld ausstatteten. Die Pässe und das Geld kamen vom Italienischen Roten Kreuz, die päpstlichen Stellen halfen dabei, die Identität der Flüchtlinge zu beglaubigen, während Hudal für die Geflüchteten die Ausweiskarten besorgte. Unter den Personen, die so aus dem von den Siegermächten besetzten Europa fliehen konnten, befanden sich unter anderem Ante Pavelić, Hans-Ulrich Rudel, Rexisten aus Belgien, Nationalisten des Vichy-Regimes, Soldaten der Allgemeinen SS und der Waffen-SS (zum Beispiel Erich Priebke), der Gestapo-Funktionär Klaus Barbie sowie weitere NS-Funktionäre wie Adolf Eichmann, Johann von Leers und Josef Mengele. Von den Personen, die über die Rattenlinie fliehen konnten, wurde Draganović auch als „Goldenen Priester“ bezeichnet.

Späterer Werdegang und Tod

Seit dem Kriegsende, als in Jugoslawien Tito die Macht innehatte, hörte der jugoslawische Geheimdienst nie auf, den Priester zu verfolgen. Draganović selbst blieb zunächst in Italien und hörte mit seiner politischen Arbeit nicht auf, sondern prangerte weiterhin die Verbrechen der Kommunisten an Kroaten und Deutschen an. Bis 1967 blieb er in Italien, bis er vom kommunistisch-jugoslawischen Geheimdienst entführt wurde. Die Mehrheit der politisch korrekten Historikerzunft spricht heute davon, dass Draganović freiwillig nach Jugoslawien gegangen sei. Wenn man sich allerdings anschaut, wie brutal Nationalisten durch die kommunistischen Machthaber verfolgt wurden, muss davon ausgegangen werden, dass Draganović nicht freiwillig nach Jugoslawien zurückgekehrt ist, sondern dass es sich um eine Entführung handelte.

Der jugoslawische Geheimdienst brachte Draganović zunächst ins italienische Triest und von dort aus nach Jugoslawien. In einem Gefängnis in Belgrad wurde er 42 Tage lang qualvollen Verhören unterzogen, bis er schließlich entlassen und in Sarajewo unter Hausarrest gestellt wurde. Während seiner Zeit im Hausarrest soll Draganović angeblich die „Demokratie“ und die „Humanität“ in Jugoslawien gelobt haben, was jedoch sehr fraglich ist. Wahrscheinlicher ist, dass er entweder zu den Aussagen gezwungen wurde oder diese der kommunistisch-jugoslawischen Propaganda entstammen. Krunoslav Stjepan Draganović starb am 5. Juli 1983 in seinem Hausarrest in Sarajewo.

Apostol Plemić

Erstveröffentlichung in N.S. Heute #20/21

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