Besprechungen #19 – Aus der Reihe „Literaturpreisträger der Reichshauptstadt Berlin“: Erhard Wittek – Bewährung der Herzen

Stürme donnern um Berge, Brände schwelen im Herzen, aber gewachsener Stein und gewachsener Wille ragen, wenn Stürme und Brände ausgetobt haben, wieder ruhig und klar in den Tag.

Im Jahr 1937 gewann unter anderem der Schriftsteller Erhard Wittek den oben genannten Preis für seine Novelle „Bewährung der Herzen“.

Rudolf Bunk, der zunächst nicht namentlich genannte Protagonist, wandert im Frühsommer nach dem Ersten Weltkrieg in Frankreich zwischen Felsen, über Wiesen und Hügelketten und lernt dabei die Bauern der Auvergne kennen. Der Protagonist, eigentlich ein entflohener deutscher Kriegsgefangener, gibt sich dabei als ein von Kriegsfolgen gezeichneter, taubstummer Wanderer aus. So bleibt es zunächst bei relativ kurzen, wenngleich herzlichen Begegnungen mit der dortigen Bevölkerung. Indes er Nahrung, Getränke oder Tabak bekommt, bringt ihm sein zu Mitleid bewegendes Schauspiel zusätzliche Vorteile ein. So kommt es, dass er bei einer Bauernhütte anklopft, um gegen Arbeit einen Schlafplatz und Nahrung zu erhalten. Dort trifft er wieder auf die junge flämische Bäuerin Bertheline, welche er anfangs bereits in einem Waldstück getroffen hatte.

Es zeigt sich, dass auf und um den Hof allerlei zu tun ist, denn das alte Bauernpaar scheint nicht mehr allzu viel Arbeit verrichten zu können, weshalb die junge Flämin die meisten Tätigkeiten allein zu verrichten hatte. Der vermeintliche Wanderer und die junge Bäuerin sind voneinander angetan, angesichts der vielen Arbeit zeichnet sich ein längerer Aufenthalt ab. Hier beginnt die eigentliche (Liebes-)Geschichte: Es stellt sich heraus, dass Berthelines Mann als junger Soldat im Ersten Weltkrieg gefallen ist, weshalb sie den Hof nun allein mit ihren Schwiegereltern bewohnt. Als sich beide ihrer gegenseitigen Liebe gewiss sind, gibt der vermeintliche Wanderer seine wahre Identität als deutscher Soldat zu erkennen. Beide sind sich einig, für sich eine gemeinsame Zukunft realisieren zu wollen, werden jedoch im Laufe der Novelle noch so einige Hindernisse und Unstimmigkeiten überwinden müssen.

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Wittek, selbst Weltkriegsteilnehmer und bekannt für seine, unter dem Pseudonym „Fritz Steuben“ erschienenen Indianererzählungen über den Shawano-Führer Tecumseh, schafft zu Anfang seiner Novelle ein wohliges Befinden beim Leser, indem die tatsächlich doch sehr ernste Lage des Protagonisten erst im späteren Verlauf deutlich wird. Die anfangs unbeschwerte und romantische Stimmung, in die sich die beiden Hauptcharaktere verlieren, spitzt sich erst allmählich zu und weicht den ernsten Problemen, vor denen das junge Liebespaar gestellt wird. Die Charakterzüge der Protagonisten sind leicht stereotypisiert beziehungsweise idealisiert, durchschaut doch der naive Franzose das Schauspiel des deutschen Soldaten nicht, während Bunk selbst hin und wieder mit sich hadert, jedoch stets zu einer klaren und geraden Haltung zurückfindet. So steht der Hauptprotagonist als Sinnbild für einen von Idealen geprägten Menschenschlag, der den äußeren Umständen trotzt und immer wieder zu sich selbst und seinen eigenen Stärken zurückfindet.

Insgesamt ist das Buch angenehm und flüssig zu lesen. Wittek hebt bewusst und gezielt die menschlichen, gefühlsbetonten Züge seiner Protagonisten hervor, „denn ihre Waffen waren nicht der Hass, sondern die Kraft und die Stärke der Herzen“, wie es im Klappentext heißt. Die menschliche und aufrechte Haltung, trotz des harten Schicksals, steht somit sinnbildlich für viele deutsche Landser des Ersten Weltkrieges. Während die französischen Soldaten längst wieder daheim bei Frau und Kund waren, befanden sich viele deutsche Kriegsteilnehmer noch in Gefangenschaft oder mussten sich auf eigene Faust in die Heimat durchschlagen.

Das Buch gibt es antiquarisch für wenige Euro zu erwerben.

Erstveröffentlichung in N.S. Heute #17

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