Bushido – Die Wege des Kriegers. Einblicke in die japanische Volksseele

Aus den geschichtlichen Untiefen des japanischen Feudalismus speist sich ein uralter Sittenkodex, der über Jahrhunderte die ethische Grundlage japanischer Berufssoldaten bildete. Ein Verhaltenskodex, der geprägt ist von kriegerischen Tugenden wie Mut, Tapferkeit und Aufopferungsbereitschaft für seinen Lehnsherrn, der aber auch einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt. Dieser beginnt mit der Herausstellung des Eigenwertes charakterbildender Erziehung, geht über in eine von Ehre, Treue und Wahrhaftigkeit geprägte Lebensweise, und endet nicht selten mit einer nicht nur zeremoniell, sondern sogar gesetzlich normierten Form der Selbsttötung.

Wir werden in diesem Aufsatz der Frage nachgehen, was den feudal-japanischen Bushi“ („Krieger“) auszeichnet, der als Eigenbezeichnung später den Begriff „Samurai“ („Wächter“, „Begleiter“) übernahm. Wir untersuchen die Grundlage des „bu-shi-do“ („Weisheit, Wollen, Mut“) – eine altehrwürdige Begrifflichkeit, welche heute leider von einem tunesischen Rapper mit krimineller Vergangenheit und Kontakten zum berüchtigten Abu-Chaker-Clan in den Schmutz gezogen wird. Wir wollen wissen, welche Bedeutungen die „Wege des Kriegers“ , wie man „Bushido“ auch übersetzen kann, für das gegenwärtige Japan haben, und welche Gemeinsamkeiten sich finden zwischen „typisch japanischen“ und „typisch deutschen“ Tugenden – nicht umsonst bezeichnete man die Bewohner Nippons auch als „Preußen Asiens“ (ein Begriff, der allerdings aus der Zeit nach dem Zusammenbruch des japanischen Feudalismus stammt).

Quellen und Grundlagen des Bushido

Für die Kaste der japanischen Berufssoldaten waren die ethischen Grundsätze des Bushido von unbedingter Verbindlichkeit. Die synkretistischen Fundamente des Bushido entstammen sowohl dem Zen-Buddhismus, den politisch-ethischen Lehren des chinesischen Denkers Konfuzius sowie aus dem japanischen Nationalglauben des Shintoismus. Vor allem der Shintoismus, der zutiefst geprägt ist von Vaterlandsliebe, Ahnenkult und Naturverehrung, war als Verkörperung japanischer Rassegefühle eine wesentliche Inspirationsquelle für das Bushido.

Zuvorderst galt dem Samurai die Aufrichtigkeit als Kardinaltugend, auf welcher alle anderen Tugenden aufbauen. Die Aufrichtigkeit war also das Grundgerüst, vergleichbar mit dem menschlichen Skelett, ohne das kein Körperteil an seinem Platz gehalten werden könnte. Die Abscheu vor heimtückischem Handeln ging in vielen Fällen sogar so weit, dass der Samurai einen ehrenvollen Kriegertod einer erfolgversprechenden Kriegslist vorzog.

Die Aufrichtigkeit des Samurai ist allerdings nicht zu verwechseln mit Leichtsinn oder Übermut. Ganz im Gegenteil, galt dem Samurai der Tod, den man um eine unwürdige Sache willen erleidet, als Schwäche. Hierzu die Worte eines japanischen Prinzen: „In das Schlachtgetümmel hineinzustürzen und darin erschlagen zu werden ist leicht, der erstbeste Flegel kann sowas tun. Es ist hingegen wahrer Mut, zu leben, wenn es recht ist zu leben, und nur dann zu sterben, wenn es recht ist zu sterben.“

Die Untätigkeit empfand der Samurai schlimmer, als ohne Absicht das Falsche zu tun. Oder, wie es Konfuzius sagte: „Bemerken, was recht ist und es nicht zu tun, beweist Mangel an Mut.“ Hätte man den Samurai gefragt, was ihm lieber ist, entweder sein Land und sein Volk aus der Umklammerung seiner Feinde zu befreien, oder seinen guten Ruf in der Nachbarschaft und sein finanzielles Auskommen nicht zu gefährden, hätte der Bushi jedenfalls nicht lange zu überlegen brauchen.

Man sollte allerdings nicht dem Trugschluss anheimfallen, dem Samurai seien nur die harten, kriegerischen, männlichen Tugenden geläufig gewesen. So sprach man nämlich auch vom „Bushi no nasake“, von der „Zartheit des Kriegers“, von seiner Güte und seiner Fähigkeit, das Leiden seiner armen und schwachen Landsleute mitzuempfinden. Die jungen Samurai-Schüler wurden zu musikalischer Betätigung und zum Schreiben von Versen angeleitet. In den Helmen und in den Brustpanzern gefallener Samurai fand man häufig kleine Zettel mit selbstverfassten Oden der Krieger.

Die Artigkeit und Zuvorkommenheit im Benehmen lernte der Samurai von Klein auf. Noch heute gilt die aufrichtige (nicht die gespielte!) Höflichkeit als besonderer japanischer Charakterzug. Das Wort eines Samurai war von einem solchen Wert, dass auf schriftliche Fixierungen von Absprachen und Verträgen gewöhnlich verzichtet wurde. Die Lüge ist für den Samurai eine zutiefst ehrlose Bezeugung eines schwachen Charakters.

Der „preußische Samurai“

Treue und Ehre, zwei vor allem im Preußentum hochgeschätzte Tugenden, waren auch das Leitbild des japanischen Samurai. Die Ehre ist dem Bushi eine notwendige Bedingung für seine persönliche Würde. Ehre in Form einer heiligen Selbstverpflichtung, stets gerecht gegen sich selbst zu sein; nichts zu äußern und nichts zu tun, was mit seinen inneren Überzeugungen nicht vereinbar ist. Da es zwischen gesundem und übersteigertem Ehrgefühl mitunter ein schmaler Grat sein kann, gab es auch bei den Samurai Fälle, in denen mancher Krieger vorschnell zum Schwert griff. Die Gefahr einer übermütigen und leichtsinnigen Handlung sollte durch die Lehren von Großmut und Geduld abgewehrt werden. So galt es als lächerlich und als Zeichen von Schwäche, wenn sich ein Samurai durch nichtige Anlässe reizen ließ. Es galt als eines Mannes unwürdig, sich über kleinliche Beleidigungen zu ärgern. Unser deutsches Sprichwort „Was stört es eine deutsche Eiche, wenn sich eine Wildsau an ihr schabt?“, hätte dem Samurai bestimmt gefallen.

Einen weiteren hohen Rang im Ehrenkodex japanischer Ritterlichkeit nimmt die Treue ein. Treue, das hieß für den Bushi vor allem Treue zu seinem Lehnsherrn. Im feudalen Japan wurden die Gesetze, ja wurde das gesamte Staatswesen von einer einzigen Person vertreten: dem Kaiser. Der Samurai unterschied hierbei zumeist nicht zwischen einer gerechten und einer ungerechten Herrschaft, was in der Praxis auch zu blindem Gehorsam führen konnte. Im angelsächsischen Raum kennt man eine solche Einstellung unter dem geflügelten Wort „Right or wrong – my country“.

Erziehung des Kindes und Wertschätzung der Frau

Das oberste Erziehungsziel ist für den Samurai die Charakterbildung seines Kindes. Inazo Nitobe schrieb hierzu in seiner 1905 erstmals publizierten Schrift „Bushido – Die Seele Japans“ das Folgende: „Da das Leben als Mittel betrachtet wurde, seinem Herrn zu dienen, und die Ehre als Ideal galt, wurde die ganze Erziehung eines Samurai darauf ausgerichtet.“ Die Erziehung konnte mitunter sehr hart sein. Aus Überlieferungen kennt man die Geschichten, dass die Söhne der Samurai in der Kälte ausgesetzt wurden, es wird von Nahrungsentzug berichtet, und dass man die Jungen barfuß im Schnee laufen ließ, um sie an die Entbehrungen des Lebens zu gewöhnen.

Doch in den meisten Fällen dürfte der Alltag eines zukünftigen Samurai weit weniger grausam verlaufen sein: Auf dem Stundenplan standen körperliche Betätigungen wie Fechten, Bogenschießen, die Kampfsportart Jiu-Jitsu, Yawara (Selbstverteidigung), Reiten und der Gebrauch des Speeres, doch ebenso bekamen die Kinder Unterricht in Ethik, Literatur, Geschichte und – ebenfalls eine japanische Besonderheit – Schönschrift, erkannte man doch in der Handschrift den Charakter einer Person. Der Samurai hegte kein Interesse an abstrakter Philosophie und theoretischen Gedankenspielereien, sondern beschäftigte sich mit Fällen praktischer Ethik – Bushido als frühe japanische Form eines Knigge-Buches.

Finanzielle Anspruchslosigkeit und Sparsamkeit erachtete der Bushido als Pflege der eigenen Mäßigung. Mit einer rein asketischen Lebensweise sollte dies allerdings nicht verwechselt werden, war der Samurai doch durchaus ein lebensbejahender und irdischen Genüssen nicht abgeneigter Mensch.

Die Gattin eines Samurai zeichnete sich nicht nur durch anmutige Grazie aus, sondern ebenso durch ihre Kenntnisse auf den Gebieten der Musik, der Literatur und des Tanzes, um dem Leben Anmut und Frohsinn zu verleihen. Die Hingabe der Frau für ihre Familie und für ihr Heim galt als ebenso wertvoll und wurde hochgeschätzt wie die Hingabe des Mannes für sein Land und für seinen Lehnsherrn. Allerdings waren es nicht nur die typisch weiblichen Tugenden, die das Ansehen japanischer Rittersfrauen steigerten: Bushido preist nämlich auch ausdrücklich jene Frauen, die sich von der körperlichen Schwäche ihres Geschlechts freimachen und – zumal in Not- und Gefahrensituationen – eine herrische Stärke zeigten, welche dem tapfersten Manne ebenbürtig war. Während die politische Ebene während der gesamten Zeit des japanischen Feudalismus die Domäne des Mannes blieb, genoss die Frau als Gattin und Mutter größte Achtung und tiefste Liebe.

Das Gesetz der Wiedergutmachung

Mit 15 Jahren erwarb der Samurai das Recht zum Tragen des eigenen Schwertes. Dem Bushi galt das Schwert als etwas Heiliges, es verlieh ihm Selbstrespekt und ein stolzes Gefühl der Verantwortung. Um dieses Recht in Anspruch nehmen zu können, verlangte man von einem Samurai ein hohes Maß an Selbstbeherrschung – ein weiterer typisch japanischer Charakterzug. Ein Mann mit einem gesunden Maß an Selbstbeherrschung kennt die rechte Zeit, in der er seine Waffe einsetzen muss – und wann er es lieber in der Scheide stecken lässt.

In einer von soldatischen Idealen geprägten Gesellschaft wie dem feudalen Japan fand das Schwert allerdings nicht nur zu kriegerischen Zwecken Verwendung: Das Schwert war auch das gängige Hilfsmittel zur Durchsetzung des „kataku-uchi“, der „Wiedergutmachung“ (manche würden es auch „Rache“ nennen) . Das kataki-uchi diente allerdings nicht schnöden Rachegelüsten, sondern der Befriedigung eins tiefen Gerechtigkeitsgefühls des Samurai.

In vielen Fällen war das Schwert, das den Samurai sein ganzes Leben lang begleitete, auch das Werkzeug zur Bestimmung seines Todeszeitpunktes. Die Zeremonie des Seppuku (auch Harakiri genannt), in welcher der Samurai sich mit dem Schwert seinen eigenen Leib aufschlitzt, bevor er von seinem Sekundanten enthauptet wird, war bis ins kleinste Detail geregelt. Durch die grausame Zeremonie sühnte der Bushi seine Verbrechen, machte seine Fehler wieder gut, entkam seiner Schande und bewies seine Aufrichtigkeit. Nicht alle Samurai, die Seppuku durchführten, taten dies freiwillig: Seppuku war auch eine gesetzlich normierte Hinrichtungsart, durch die der Delinquent seine Ehre wiederherstellen konnte.

Das Erbe der Samurai

Der japanische Feudalismus endete im Jahr 1871, bereits fünf Jahre später wurde das öffentliche Tragen von Schwertern verboten. Inazo Nitobe nannte den Feudalismus die „Mutter des Bushido“, an dessen Ende der Sittenkodex als „Waise“ zurückblieb. Doch bis heute sind die Geschichten aus der Zeit der Samurai – sowohl die Legenden als auch die historisch belegten Geschehnisse – ein wichtiger Faktor für die japanische Identität.

Eine späte Reminiszenz erlebte der Samurai-Mythos im Zweiten Weltkrieg, als sich japanische Kamikaze-Flieger für Volk und Kaiser opferten. Genau zu der Zeit, als sich die Kamikaze-Piloten mit ihren Maschinen auf feindliche Schiffe stürzten, wurde viele tausend Kilometer entfernt bei den deutschen Waffenbrüdern das „Sonderkommando Elbe“ aufgestellt. Die Überlebenschancen der Rammjäger der Deutschen Luftwaffe waren nur wenig höher als bei den todgeweihten Kamikaze-Fliegern. Noch in den letzten Wochen entwarf eine Gruppe zu allem entschlossener Idealisten um Flieger-Pionierin Hanna Reitsch Pläne für ein Kommando zur „Selbstopferung“ (SO). Als „bemannte Bomben“ wollten sie sich mit ihren Maschinen auf kriegswichtige Ziele des Feindes stürzen, um ein Inferno zu erzeugen, das bei den Alliierten eine Bereitschaft zu Friedensverhandlungen erzwingen sollte. Auch wenn das Vorhaben aufgrund der fehlenden Überlebenschance der Piloten von Adolf Hitler gestoppt wurde, zeigt diese Episode doch eine gewisse Seelenverwandtschaft zwischen Deutschen und Japanern.

Die Legenden rund um die japanische Kriegerkaste der Samurai haben heute längst weltweit Einzug in die Popkultur erhalten. Die Geschichten der Kriegerelite werden weitererzählt in folkloristischen Büchern, Theaterstücken und Kinofilmen wie dem zum Klassiker avancierten Streifen „Die sieben Samurai“.

Zu der Frage, welchen Stellenwert der Sittenkodex des Bushido für den japanischen Volksgeist hatte, dazu abschließend noch einmal Inazo Nitobe: „Das geistige und das moralische Japan war direkt oder indirekt das Werk der Samurai. Die Lehren der Ritterschaft, die anfangs nur einer Elite Ruhm verschafften, wurden mit der Zeit zur Sehnsucht und Inspiration für die ganze Nation.“

Erstveröffentlichung in N.S. Heute #24

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