Zum 100. Jahrestag der faschistischen Machtübernahme Benito Mussolinis durch den “Marsch auf Rom” am 27. Oktober 1922 veröffentlichen wir eine fünfteilige Serie über den italienischen Faschismus.
Teil 1: Fiume 1919/20 – Der Urknall der faschistischen Epoche in Europa
Teil 2: Der Marsch auf Rom – Die zweite Oktoberrevolution des 20. Jahrhunderts
Teil 3: MVSN – Mussolinis Verfügungstruppe
Hier geht es um einen fortschrittlichen, sozialrevolutionären Staat, der nicht einmal ganz zwei Jahre bestand. Die Zeit der RSI begann am 23. September 1943 und endete am 25. April 1945.
Nach seiner Befreiung proklamierte Benito Mussolini die „Repubblica Sociale Italiana” (RSI), die “Italienische Sozialrepublik”. Das Territorium der RSI umschloss die Gebiete Nord- und Mittelitaliens, die noch von der Wehrmacht verteidigt wurden. Nominell gehörten zur RSI auch die Operationszonen Alpenvorland und Adriatisches Küstenland, unterstanden aber deutscher Militärverwaltung. Auch Rhodos und die umlagernden Inseln gehörten bis zum Schluss zum Imperium der RSI.
Der Duce und seine getreuen Gefolgsleute verwirklichten nun den radikalen „Bewegungsfaschismus“ der Schwarzhemden und Squadriste der Frühzeit mit sozialrevolutionärer Komponente, der 20 Jahre lang aufgrund von Kompromissen gegenüber dem König, der konservativen Armee, der Industrie und anderen reaktionären Kräften nicht zum Zuge kam.
So sagte unter anderem der Duce in seiner Ansprache an das italienische Volk, übertragen vom Reichssender München am 18. September 1943: „Der Staat, den wir neu errichten werden, soll national und sozial sein im weitesten Sinne des Wortes, ein faschistischer Staat im Sinne seiner Anfangszeit.“
Nach dem verräterischen Waffenstillstandsvertrag des Freimaurers Marschall Badoglio 1943 mit den Alliierten, wurden die „Partito Nazionale Fascista“ (PNF) und alle ihre Untergliederungen aufgelöst. Der Duce gründete daher die Faschistische Partei neu. Sie hieß nun „Partito Fascista Repubblicana“ (PFR).
Auch bei der Parteineugründung ging man daran, die Vorstellungen aus der Frühzeit der faschistischen Bewegung umzusetzen. Man wollte vorerst keine Massenpartei mehr, sondern die Partei sollte aus einer elitären Avantgarde von Schwarzhemden bestehen.
Die aufgelöste Faschistische Miliz, bekannt unter dem Namen „Milizia Volentaria per la Sicurezza Nationale“ (MVSN), Freiwilligenmiliz für nationale Sicherheit, wurde als „Guardia Nazionale Repubblicana“ (GNR), Republikanische Nationalgarde, neu gegründet. Sie setzte sich zusammen aus den Mitgliedern der alten MVSN, den auf dem Territorium der RSI aufgelösten Carabinieri, den Resten der Afrikanischen Kolonialpolizei sowie aus Jungfaschisten. Sonderformationen der GNR, die eine Gendarmeriefunktion ausübte, waren zuständig für die Sicherheit von Bahn, Häfen, Fernmeldewesen, Berg- und Forstgebieten, Staatsgrenze und dem Straßennetz. Im Jahre 1944 wurde die GNR neben den drei Teilstreitkräften der RSI (auf die ich eventuell in einem zukünftigen Artikel einmal eingehe) vierter Wehrmachtsteil. GNR-Einheiten kämpften mit anderen republikanisch-faschistischen Truppenteilen noch bis zum April 1945 zusammen mit der Wehrmacht in der Goten-Stellung.
Sozialrevolutionäre Neuordnung Europas
Im Jahre 1944 ging der Parteisekretär der PFR, Alessandro Pavolini, dazu über, die Partei total zu militarisieren. So entstanden, bestehend aus dem harten Kern der Parteimitglieder, die „Brigate Nere“, die „Schwarzen Brigaden“. Sie formierten sich auf örtlicher und regionaler Ebene und trugen zumeist den Namen eines Märtyrers der faschistischen Revolution. Die „Brigate Nere“ wurden hauptsächlich gegen das Banditenunwesen der zumeist kommunistischen Partisanen eingesetzt. Es war jedoch geplant, dass aus den „Schwarzen Brigaden“ die eigentliche faschistische Revolutionsarmee hervorgehen sollte.
Während die alte PNF die staatstragende faschistische Nationalpartei war, obwohl Mussolini schon seit seiner Machtübernahme sein faschistisches Modell als universellen Exportartikel für andere Länder ansah, schrieb die neue PFR gleich vorab eine nationale und sozialrevolutionäre Neuordnung für ganz Europa auf ihre Flagge.
Unter dem Vorsitz von Alessandro Pavolini fand am 14. November 1943 in Verona ein Parteikongress der PFR statt, auf dem das Manifest der Partei verabschiedet wurde. Der Duce war auf diesem Kongress persönlich nicht anwesend. Der Kongress hatte eine starke sozialrevolutionäre Komponente und war seiner Zeit weit voraus.
Mussolini sagte anlässlich der Verabschiedung des Manifestes: „Das Programm von Verona sucht auch nach einem Gleichgewicht zwischen Produktion und Arbeit unter Bewahrung eines begrenzten Eigentumsrechtes, der Privatinitiative und der Verwendung von Kapital. Wir haben den Marxismus nicht bekämpft, um ihn wieder auferstehen zu sehen. Aber was ich in Italien tun will, ist nicht nur die Aufstellung einer antibürgerlichen Gegenthese, sondern die Verstärkung der tragenden Kräfte des noch immer lebendigen Faschismus. Alles dieses, ich weiß es, beunruhigt die Deutschen. Aber ich glaube, es ist der europäischen Wirklichkeit näher als sie ahnen.“
Interessant ist schon einmal ein außenpolitischer Programmpunkt unter Art. VIII.: „Die Politik wird sich außerdem für die Verwirklichung einer europäischen Gemeinschaft in der Form einer Konföderation aller Nationen einsetzen, die folgende Grundsätze beachten:
- Ausschaltung der jahrhundertealten britischen Intrigen auf unserem Kontinent;
- Abschaffung des kapitalistischen Systems im Inneren und Kampf gegen die Weltplutokratien;
- Verwertung der natürlichen Rohstoffquellen in Afrika zum Nutzen der europäischen Völker sowie der Eingeborenen unter absoluter Achtung jener Völker, insbesondere der moslemischen, die, wie etwa in Ägypten, bereits in ziviler und nationaler Hinsicht entwickelt sind.“
Hier wird schon die Idee eines „Europa der Vaterländer“ vorweggenommen. Eine Konföderation, die auf friedlichem Wege die Rohstoffquellen Afrikas und des Orients erschließt und die eingeborenen Völker gerecht daran beteiligt. Bei den Plutokraten kennt man nur Ausbeutung.
Auch was die Entwicklung in Ägypten angeht, sah man schon richtig in die Zukunft. Neun Jahre nach der Verabschiedung des Manifestes kam in Ägypten Gamal Abdel Nasser an die Macht. Männer wie Nasser, Saddam, Gaddafi und Assad wären für ein, ich nenne es jetzt mal im Klartext „faschistisches Europa“, die idealen arabischen Volksführer, mit denen man nicht nur Handel treiben kann, sondern die auch den arabischen Mob und damit den Islamismus, der die Entwicklung der arabischen Völker stört, mit festem Daumendruck niederhalten und niedergehalten haben. Bis die US-Ostküste mit Kriegshetze und Intrigen für Aufruhr und Umsturz sorgte.
Der britische Einfluss auf dem Kontinent wurde inzwischen – und das noch während des Krieges – von der us-amerikanischen Ostküstenplutokratie abgelöst. Als die anglo-amerikanischen Truppen auf Sizilien landeten, brachten sie keine Befreiung mit, sondern Hunger und Elend und im Marschgepäck hochkarätige Mafiabosse vom Schlage eines Lucky Luciano. Diese errichteten mit „antifaschistischem“ Freibrief wieder ihre kriminelle Terrorherrschaft auf Sizilien. Unter Mussolini war die Mafia so gut wie ausgerottet, dank Cesare Mori, den man den „Eisernen Präfekten“ nannte.
Die Sozialpolitik der RSI
Wenden wir uns nun der geplanten Sozialpolitik der RSI zu. Hier heißt es unter Artikel IX.: „Grundlage und vordringliches Anliegen der Sozialen Republik ist die Handarbeit sowie die technische und geistige Arbeit in jeder Erscheinungsform.“
Und unter Art. X.: „Das Privateigentum, Ertrag der Arbeit und des persönlichen Sparwillens, Ergänzung der menschlichen Persönlichkeit, wird durch den Staat gewährleistet.“
Art. XI. besagt eindeutig, dass die Schlüsselindustrie verstaatlicht werden muss: „In der nationalen Wirtschaft gehört all das, was wegen Umfangs oder seiner Funktion aus dem Privatinteresse ausscheidet und in das Gemeinschaftsinteresse übergeht, zu dem dem Staat vorbehaltenen Handlungsbereich. Die öffentlichen Einrichtungen und, in der Regel, die Kriegsindustrie müssen vom Staat durch halbstaatliche Anstalten verwaltet werden.“
In Art. XII. geht es um die Sozialisierung der Betriebe und Mitbestimmung sowie Gewinnbeteiligung der Arbeiter: „In jedem privaten, halbstaatlichen und staatlichen Industriebetrieb arbeiten die Vertreter der Techniker und der Arbeiter (bei unmittelbarer Kenntnis der Geschäfts- und Betriebsvorgänge), eng zusammen an der gerechten Festlegung der Löhne sowie an einer gerechten Aufteilung der Gewinne auf den Rücklagenfonds, der Entlohnung des Aktienkapitals und der Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer. Bei einigen Unternehmen muss dies mit einer Erweiterung der Vorrechte der gegenwärtigen Fabrikkommissionen geschehen, in anderen müssen die Aufsichtsräte durch Verwaltungsräte, die aus Technikern, Arbeitern und einem Vertreter des Staates zusammengesetzt sind, ersetzt werden; bei anderen geschieht dies in der Form halbgewerkschaftlicher Genossenschaften.“
Art. XIII. befasst sich mit einer landwirtschaftlichen Bodenreform: „In der Landwirtschaft findet die private Initiative des Eigentümers ihre Grenze, wenn sie zu fehlen beginnt. Die Enteignung unbebauten Bodens und schlecht geführter Betriebe kann zur Gebietsaufteilung unter landwirtschaftliche Hilfsarbeiter führen, um sie zu Landwirten zu machen oder um genossenschaftliche, halbgewerkschaftliche oder halbstaatliche Betriebe zu bilden, je nach den unterschiedlichen Erfordernissen der Landwirtschaft. Das ist übrigens in den geltenden Gesetzen vorgesehen, bei deren Anwendung die Partei und die gewerkschaftlichen Organisationen die nötigen Impulse geben.“
Art. XIV. umreißt klar individuelle Produktivität und Preiskontrolle: „Es ist den Landwirten, den Handwerkern, den Akademikern und Künstlern vollkommen freigestellt, ihre eigene produktive Aktivität individuell einzusetzen und frei zu entfalten, in der Familie oder in der Gruppe, vorbehaltlich der Verpflichtung, die vom Gesetz festgelegte Menge der Produkte an die Magazine abzuliefern und die Preise einer Kontrolle unterwerfen zu lassen.“
Art. XV. befasst sich mit sozialem Wohnungsbau (Auszug): „Das Recht auf ein eigenes Haus ist nicht nur ein Eigentumsrecht, sondern ein Recht auf Eigentum. Die Partei nimmt in ihr Programm die Schaffung einer nationalen Anstalt für ein ‚Volkshaus‘ auf, die unter Übernahme der bisher existierenden Anstalten und in Erweiterung ihres Tätigkeitsbereiches vorsieht, den Familien der Arbeiter aller Klassen durch den Bau neuer Wohnungen oder durch stufenweise Schuldabtragung eine Eigentumswohnung zu verschaffen. (…) Beiläufig ist festzustellen, dass die Miete – nachdem das Anfangskapital beglichen ist – einen Beweis des Wohnungserwerbes darstellt.“
Art. XVI. befasst sich mit der Organisation eines korporativen Gewerkschaftsverbandes (Auszug): „Der Arbeiter ist von Amts wegen in die Gewerkschaft seiner Kategorie eingeschrieben, ohne dass es ihm untersagt ist, in eine andere Gewerkschaft einzutreten, wenn er die Bedingungen erfüllt. Die Gewerkschaften sind in einem einheitlichen Verband zusammengeschlossen, der alle Arbeiter, Akademiker und Techniker umfasst, ausgenommen die Eigentümer, die nicht Dienststellenleiter oder Techniker sind. (…) Der Verband nennt sich Confederazione Generale des Lavoro, della Tecnica e delle Arti. Die Angehörigen der staatlichen Industrieunternehmen und des öffentlichen Dienstes bilden, wie jeder andere Arbeiter, Gewerkschaften nach den jeweiligen Kategorien. (…) All die großartigen sozialen Einrichtungen, die das faschistische Regime in 20 Jahren verwirklicht hat, bleiben unangetastet.“
Avantgarde einer neuen Ordnung
Wie man sieht, ist im Programm der RSI Kapitalismus und Bolschewismus der Wind aus den Segeln genommen. Plutokratische Ausbeuter und kommunistische Volkszerstörer hätten in einem Volksstaat mit diesem Programm keine Chance. Das Manifest von Verona beinhaltet das, was man heute allgemein als den „Dritten Weg“ bezeichnet. Leider machte der Verlauf des Krieges diese Pläne zunichte.
Die RSI, ein in der Tiefe der Geschichte versunkenes politisches Experiment, oder ein neu entdeckter Schatz und Blaupause für die Zukunft?
Es lebe der „Fascismo universale“!
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